Timm Thaler
der Tür!“
Das tat Timm. Und dann schloß er im verriegelten Zimmer mit
Mister Penny einen Vertrag, den er genau so geheimhalten mußte
wie den Vertrag mit Lefuet, vielleicht sogar noch mehr, weil der
Baron ihn unter keinen Umständen sehen durfte. Das einzig
Ärgerliche war, daß es für den Besitzwechsel der Reederei-Aktien
eine Sperrfrist gab. Timm konnte sie erst nach einem Jahr erhalten.
Aber vielleicht war das ganz nützlich für die Pläne, die Timm in der darauf folgenden schlaflosen Nacht entwarf.
Es waren für einen Jungen von vierzehn Jahren gewaltige Pläne.
Er beabsichtigte nicht mehr und nicht weniger, als die Gesellschaft des Barons, diese reichste und mächtigste Firma der Welt,, mit der Hilfe Selek Beis in solche Konfusion zu bringen, daß Lefuet nur
zwei Möglichkeiten blieben: entweder dem Jungen das Lachen
zurückzugeben oder alle Macht und allen Reichtum mit einem
Schlag zu verlieren.
Der Plan war wahnwitzig und selbst dann, wenn Selek Bei
mitmachen würde, kaum durchzuführen. Timm, der eben erst in die
Welt der großen Geschäfte hineingerochen hatte, unterschätzte bei weitem die Stabilität einer solchen nach tausend Seiten gesicherten Weltfirma. Er unterschätzte auch die Herren, mit denen er es zu tun hatte, und er unterschätzte den Zusammenhalt dieser Leute in
Augenblicken der Gefahr. Jeder von ihnen würde in jedem
Augenblick Frau, Kinder und Eltern ohne Zögern ins Elend stoßen,
wenn er dadurch einen Zusammenbruch der Firma verhindem
könnte. Lefuet würde sogar das Lachen zurückgeben.
Aber Timm war zu klein und zu wenig durchtrieben für einen
solchen Plan. Sein Lachen war auf viel einfachere Art
zurückzugewinnen, mit ein paar Worten nur. Doch in der Nähe des
Barons hatte der Junge das Einfache verlernt. Er blickte um sieben Ecken statt geradeaus.
Als er um vier Uhr in der Frühe immer noch nicht schlief, las er
noch einmal den Vertrag durch, den er mit Mister Penny geschlossen hatte. Dabei fiel sein Blick auf das Datum: Es war der dreißigste September. Es war sein Geburtstag.
Timm war fünfzehn Jahre alt geworden. Der Tag, den andere
Jungen dieses Alters mit Kakao und Kuchen und Gelächter verbracht hätten, war für Timm ein Tag heimlicher Abmachungen und finsterer Pläne geworden. Verzweifelte Tränen machten aus einem
pläneschmiedenden Verschwörer wieder einen unglücklichen Jungen
ohne Lachen und bescherten ihm, als die Augen endlich zufielen,
einen beinahe leichten Schlaf.
Fünfundzwanzigster Bogen
Im Roten Pavillon
Der Tagesablauf im Schloß war streng geregelt. Morgens Schlag
acht Uhr klopfte es an Timms Zimmertür, und ein junger
freundlicher Diener, mit dem der Junge sich leider nicht unterhalten konnte, kam ohne Aufforderung herein, öffnete die Vorhänge und
holte dann eine Kanne mit heißem Wasser, die er ins Waschbecken
entleerte.
Wenn Timm sich gewaschen und angekleidet hatte, zog er an
einer breiten bestickten Klingelschnur. Dann kam der Diener mit
dem Frühstückstablett, stellte ein Tischchen vor das Fenster, verteilte darauf das Frühstücksgeschirr, goß Kakao in die Tasse, fügte Zucker und Rahm hinzu, rückte einen Stuhl an den Tisch, wartete mit den
Händen an der Lehne, bis der Junge sich setzen wollte, und schob
ihm den Stuhl unter. Dann verschwand er beinahe lautlos.
Am ersten Tag hatte der Diener den Jungen breit angelächelt.
Aber schon vom zweiten Tage an lächelte er niemals mehr. Er
machte ein eher trauriges Gesicht, als ob er Timms Kummer kenne.
Timm seinerseits ließ alles stumm geschehen. Obwohl er die
Anteilnahme des Dieners spürte und ihn gern mochte, war er
jedesmal froh, wenn die Frühstücks-Zeremonie vorüber war und er
allein am Fenster saß.
Am Morgen nach der halb durchwachten Nacht fiel es Timm
schwer aufzustehen. Außerdem war es noch nicht sehr hell; denn
draußen goß es in Strömen. Trotzdem erhob der Junge sich, und das Zeremoniell mit dem Diener lief genau so ab wie an jedem Morgen.
Timm hatte als Begleiter des Barons Beherrschung gelernt,
Disziplin.
Beim Frühstück sah Timm durch das Fenster einen Teil der
Schloßtreppe. Die glasierten bunten Hunde glänzten im Regen.
Trotzdem sahen sie erbärmlich aus, wie sie da steif und hilflos unter den Wasserschauern ausharrten, in strenger, sinnloser Disziplin.
Timm hatte das Gefühl, einer dieser Hunde zu werden, wenn es ihm
nicht bald gelänge, wieder ein lachender Junge zu sein.
Das Telefon läutete. Lefuet war am
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