Timm Thaler
bemerken – trotz seiner merkwürdigen Ideen
ein sehr nützlicher Mann für uns. Aber das nebenbei. Sein Vorschlag für den Margarinenamen lautete: Timm-Thaler-Margarine.“
Lefuet blieb stehen und blickte den Jungen durch die dunklen
Brillengläser an, die er jetzt fast immer trug.
In Timms Gesicht zeigte sich keine Veränderung. Der Junge
schien den Vorschlag mit Gleichmut, wenn nicht sogar
verständnislos aufzunehmen. Deshalb malte der Baron die Folgen
aus:
„Sie müssen begreifen, Herr Thaler, daß es noch nirgends auf der
Welt Marken-Margarine gibt. Wenn wir schlagartig, überraschend
und mit großem Angebot damit auf den Markt kommen, gelingt es
uns vielleicht, den Weltmarkt für Margarine zu beherrschen. In
einigen südamerikanischen Ländern werden wir uns sogar das
Monopol für den Margarinehandel kaufen können. Das bedeutet,
Herr Thaler, daß Ihr Name von New York bis Tokio, von Stockholm
bis Kapstadt in aller Munde sein wird. Noch der kleinste Kramladen in einem abgelegenen persischen Dorf wird unter Ihrem Namen
Margarine verkaufen. Und überall wird blau auf gelb das Photo eines lachenden Jungen zu sehen sein: Ihr Photo!“
Jetzt war Timm ganz und gar gesammelte Aufmerksamkeit. Leise
fragte er: „Wie soll ich lachen, wenn ich nicht lachen kann?“
„Das ist eine zweitrangige Frage, Herr Thaler, auf die ich gleich komme. Zunächst die Frage: Sind Sie mit dem Margarinenamen
einverstanden?“
Timm ließ sich Zeit mit seiner Antwort.
Er hatte jetzt begriffen, warum dieser Markenname der
Gesellschaft so nützlich war. Er, Timm Thaler, war der berühmte
reiche Erbe, dessen Bild und Name in den Zeitungen der Welt immer wieder erschien. Sein Name würde also nicht durch die Margarine
bekannt werden, sondern umgekehrt: Sein schon bekannter Name
würde der Margarine nützen.
„Muß ich mich bald entscheiden, Baron?“
„Noch heute, Herr Thaler! In diesem Pavillon! Obwohl die
Margarine erst in einem Jahr auf den Markt kommt, müssen die
wichtigsten Entscheidungen bereits in diesen Tagen getroffen
werden. Es muß unermeßlich viel Geld in die Vorbereitungen
gesteckt werden. Wir spielen um einen so hohen Einsatz, daß unsere ganze Gesellschaft bei einem Mißerfolg vor die Hunde gehen kann.“
Timm hatte eine Hand in die Jackett-Tasche gesteckt und fühlte
plötzlich den Füllfederhalter Selek Beis. Die Bemerkung Lefuets,
daß die ganze Gesellschaft durch Margarine vor die Hunde gehen
könnte, klang in seinen Ohren nach. Wollte Selek Bei mit Hilfe
dieses Füllfederhalters die Gesellschaft „vor die Hunde gehen“
lassen? War Selek Bei sein heimlicher Verbündeter?
Wie in Gedanken nahm der Junge die Füllfeder aus der Tasche
und spielte damit, um sie im rechten Augenblick zur Hand zu haben.
Timm konnte nicht viel verlieren, wenn eine Margarine seinen
Namen trug; aber er konnte möglicherweise viel gewinnen, wenn
Selek Bei auf seiner Seite war. Der Junge entschloß sich, auf Selek Bei zu vertrauen.
„Sagen Sie den Herren, Baron, daß ich einverstanden bin!“
Lefuet atmete hörbar erleichtert aus. Aber im übrigen blieb er
ruhig. „Dann“, sagte er, „wäre wieder einmal ein Vertrag zu
unterschreiben. Da ist er!“
Die Teetasse wurde zur Seite gerückt und zwei gleichlautende
Vertragsformulare vor Timm auf den Tisch gelegt. Der Baron
erwartete, daß der Junge sie zuerst lesen würde. Aber Timm, der
fürchtete, Lefuet könne ihm eine andere Feder anbieten, unterschrieb sofort. Mit dem Füllfederhalter Selek Beis.
Dann unterschrieb der Baron jedes Blatt zweimal: einmal im
Namen seiner Gesellschaft und einmal als Timms Vormund. Leider
achtete der Junge nicht darauf.
„Trinken wir auf die Timm-Thaler-Margarine, Timm Thaler!“
Der Baron nahm von einer kleinen Anrichte zwei geschliffene eckige Schnapsgläser und goß Rum hinein.
Dann klirrten die Gläser aneinander. Der Junge wußte nicht, ob er auf sein Glück oder auf sein Unglück anstieß. (Daß es sich um
Jonnys Rum handelte, schien ihm ein gutes Omen zu sein.)
Baron Lefuet setzte sich wieder und erklärte, wie man für die
Timm-Thaler-Margarine Reklame machen würde:
„Wir werden den Leuten erzählen, wie ein armer kleiner
Gassenjunge das Herz des reichen Barons gerührt hat, wie er von
diesem zum Erben eingesetzt wurde und wie er dann dafür gesorgt
hat, daß alle Leute in armen Gassen eine gute und billige Margarine aufs Brot streichen können.“
„Aber das sind doch fast lauter
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