Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
Vom Netzwerk:
blütenweißes
    Spitzentaschentuch quoll. Es roch ganz leicht nach Nelken.
    Und dieser Geruch erinnerte mich plötzlich an eine Zugfahrt kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, an eine
    Zugfahrt in Deutschland in einem schmutzigen, rüttelnden Zug, in dem dieser Herr mir auf seltsame Weise ein
    Mittagessen spendiert hatte. Gleichzeitig erinnerte der Herr mich an eine Busfahrt durch Rom. Wie er hieß, wußte ich sofort, und er bestätigte es mir.
    »Grandizzi«, sagte er und verbeugte sich leicht. »Wir kennen uns ja. Der Kronleuchter scheint Ihnen zu gefallen.«
    »Sehr«, sagte ich – immer noch in Gedanken an jene
    Fahrten mit dem Zug und mit dem Bus, bei denen der Herr seltsamerweise genauso ausgesehen hatte wie jetzt in Murano, obwohl das viele Jahre her war. »Der Kronleuchter gefällt mir sehr«, wiederholte ich.
    »Möchten Sie ihn haben?«
    Jetzt sah ich ganz deutlich, daß er sich seit damals nicht verändert hatte. Entweder war er also geschminkt, oder er hatte sich wieder jungoperieren lassen.
    Da ich dem Herrn vor lauter Gedanken keine Antwort
    gegeben hatte, fragte er noch einmal: »Möchten Sie den Kronleuchter haben?«
    Ich gab zur Antwort, daß ich ihn lieber nicht in meinem Hause hätte. »Würde ich dieses kunstvolle Gebilde in mein Haus hängen, Signore Grandizzi«, sagte ich, »dann müßte ich alles drumherum für ihn drapieren. Und das ist mir zu teuer.«
    »Für die Drapierung würde unsere Firma sorgen, falls Sie uns gestatten, Ihnen den Leuchter zu schenken«, sagte Grandizzi und schlug, als ich ihn verwundert ansah, die Augen nieder. Dann verschränkte er die Arme über der Brust und schritt langsam, jenseits eines übermannshohen Regals mit kostbaren Vasen, durch den Saal. Wie in einem alten
    Stummfilm sah ich seinen Kopf ruckweise zwischen den Vasen erscheinen und wieder verschwinden.
    Ich fragte ihn: »Von welcher Firma sprechen sie, Signore?«
    Grandizzi blieb stehen und blickte zwischen zwei schlanken Vasen zu mir herüber. »Die Firma«, sagte er dabei, »sollte Ihnen gleichgültig sein, wenn Sie so fürstlich beschenkt werden. Interessanter dürfte für Sie die kleine Bedingung sein, die mit der Schenkung verknüpft ist.«
    »Welche Bedingung?« fragte ich.
    »Ich möchte Ihnen ein ähnliches Angebot machen wie
    damals in dem Zug und wie später im Hotel ’Forum’ in Rom.
    Damals lehnten Sie ab. Heute sind Sie, hoffe ich, gescheiter.«
    Grandizzi schritt, die Hände jetzt auf dem Rücken
    verschränkt, um das Regal herum auf mich zu. Dabei sagte er:
    »Die dummen kleinen Geschichten des Herrn Thaler, mein Herr, so hübsch sie sich auch anhören mögen, sollten nicht aufgeschrieben und nicht schwarz auf weiß verbreitet werden.«
    »Und Sie meinen, Signore Grandizzi«, fragte ich, »daß ich sie aufschreiben werde?«
    »Da das Aufschreiben Ihr Beruf ist und Sie schon einmal etwas Unpassendes aufgeschrieben haben, besteht die
    Gefahr«, sagte er. »Daß Sie sie nicht aufschreiben, lassen wir uns gerne etwas kosten. Sie bekämen zum Kronleuchter auch das passende Haus am Wasser, dazu mit einer Yacht, falls Sie das wünschen, und unter Umständen sogar am Canal Grande.
    Mir kam es plötzlich so vor, als sei Signore Grandizzi eines von vielen Stehaufmännchen, die immer wieder nickten und mir immer wieder Häuser und Yachten anboten, und plötzlich mußte ich lachen. Ich lachte so, daß einige Gläser zu klirren begannen und Herr Grandizzi mich erschrocken ansah. »Was ist denn lächerlich an meinem Vorschlag?« fragte er
    entgeistert. Und fragte gleich noch einmal: »Warum lachen Sie denn?«
    »Weil ich mir vorkomme wie im Kasperltheater, Signore Grandizzi«, sagte ich.
    Dann kamen Herr Vetrinelli, Timm und Krescho in den
    Saal zurück, und Herr Grandizzi, immer noch ein Verwundern im Gesicht, zog sich sehr schnell durch einen der drei Ausgänge zurück. Timm aber fragte mich, worüber ich gelacht hätte, und ich sagte: »Ich sah zwischen den Vasen eine komische Figur. Habt ihr Glas gekauft?«
    »Ja«, sagte Timm, »Rubinschalen mit goldenem
    Blütenmuster und langstielige weiße Gläser. Sie werden gerade verpackt. Dir hat es, scheint’s, der Kronleuchter hier angetan.«
    »Er hat’s mir angetan«, bestätigte ich. »Aber wer solche Kronleuchter in seinem Hause haben will, muß sehr viel Geld verdienen. Und Geld verdienen müssen mag ich nicht.«
    »Ich auch nicht«, sagte Krescho. »Ich möchte es lieber spielend verdienen, zum Beispiel beim Marionettenspiel mit meinem

Weitere Kostenlose Bücher