Timoken und der Trank der Unsterblichkeit
Vorahnung.
Im nächsten Augenblick tauchte eine Gestalt auf der obersten Stufe zur Werkstatt auf: ein Junge in einem grünen Umhang. Als er hinabstieg, folgten ihm zwei Viridees. Ihre Schritte waren lautlos, ihre Gesichter sahen widerwärtig aus und ihre Augen leuchteten rot. Ein scheußlicher Gestank ging von ihnen aus und erfüllte den ganzen Raum. Der Junge kam auf sie zu und trat die Spielzeuge zur Seite, die ihm im Weg standen.
„Wer bist du?“, fragte Zobayda, die die grünlichen Knochen unter seinen blassen Wangen erkennen konnte.
Das Lächeln des Jungen war eiskalt. „Mein Vater ist der Gebieter der Viridees, meine Mutter die Tochter des Grafen Roken von Pomerishi. Ich bin Graf Harken.“ Er verbeugte sich spöttisch.
Zobayda sah kurz zu den Gestalten hinter ihm. Ihre Kehle war vor Angst wie zugeschnürt. „Und was willst du?“, fragte sie heiser.
„Du erwartest offenbar deinen Bruder. Nun, ich auch. Wir werden gemeinsam warten.“
Timoken und die fünf Kinder waren einige Wochen lang Richtung Südwesten unterwegs gewesen, aber nicht sehr weit gekommen. Das Land war trocken und felsig. Nicht nur für die Pferde war es schwierig vorwärtszukommen. Selbst Gabar weigerte sich manchmal weiterzugehen. Dann sank er auf die Knie und kaute an trockenem Gras oder dornigem Gestrüpp herum, ohne sich von Timokens Bemühungen, ihn zum Weitergehen zu bewegen, beeindrucken zu lassen. Es gab dann nur eine Möglichkeit, das Kamel schneller voranzutreiben. Timoken musste fliegen.
Zunächst hielt Gabar nicht besonders viel von dieser Idee. Doch Timoken machte ihm klar, dass es weit und breit keine anderen Kamele gab, die ihn in Verlegenheit hätten bringen können, und dass sie nicht etwa über ein Gebirge fliegen mussten. Also erlaubte Gabar Timoken, wenn auch etwas widerwillig, ihn bei besonders holprigen Strecken leicht in die Luft zu heben.
Als die Kinder das Kamel zum ersten Mal fliegen sahen, waren sie für einen Moment zu überrascht, um etwas sagen zu können. Doch dann begannen sie zu jubeln und trieben ihre Pferde dem fliegenden Kamel hinterher.
Inzwischen reisten sie häufig auf diese Art und kamen so viel besser voran. Abends kümmerte sich Timoken um das Feuer und sie kochten das Essen, das sie während des Tages aufgetrieben hatten. Als Peredur eines Tages vorschlug, ein Huhn aus einem der Dörfer zu stehlen, wusste Timoken, dass es an der Zeit war, seinen Freunden ein weiteres seiner Talente zu offenbaren.
„Wenn wir erwischt werden, werden wir als Diebe gehängt“, sagte Timoken.
„Wir werden nicht erwischt“, wandte Peredur ein. „Wie sollen wir denn sonst an etwas zu essen kommen? Der Proviant, den uns die Magniers mitgegeben haben, ist längst aufgebraucht.“
„Bis auf das hier.“ Timoken holte das letzte Stück Dörrfleisch aus der Tasche, nahm es für einen Moment in die hohle Hand und murmelte eine Bitte in der Sprache des verborgenen Königreiches. Als er die Hände wieder öffnete, lagen dort zwei Stücke Dörrfleisch.
Die anderen starrten zuerst das Fleisch und dann Timoken fassungslos an. Niemand sprach ein Wort, während er die Fleischstücke vervielfältigte, bis sie am Ende für alle reichten.
„Ich danke dir, Magier“, sagte Mabon schließlich. „Wir werden niemals wieder Hunger leiden müssen.“ Mabon liebte Essen über alles.
Als sie an diesem Abend um das Feuer saßen, berichtete Beri von dem Tag, als sie entführt worden war. Sie war die Einzige, die ihre Geschichte noch nicht erzählt hatte. Timoken übersetzte ihre Worte für die anderen.
„Mein Vater ist im ganzen Königreich Kastilien bekannt“, erzählte Beri. „Sein Name ist Esteban Díaz und er ist der beste Schwertkämpfer des Landes. Immer wenn es zu einer Schlacht kommt, ruft der König nach meinem Vater. Er hat noch nie einen Kampf verloren und der König hat ihn zu einem äußerst wohlhabenden Mann gemacht. Meine Mutter stammt aus Katalonien und wollte, dass ich einen entfernten Vetter heirate, der dort lebt. Doch mein Vater bestand darauf, dass ich den jungen Mann erst kennenlernen solle, um dann selbst entscheiden zu können. Also begaben wir uns auf den weiten und beschwerlichen Weg nach Katalonien. Während der ganzen Reise sah ich zwei Männer hinter uns herreiten. Sie verfolgten uns regelrecht. Ich erzählte meiner Mutter von meiner Beobachtung, doch sie meinte, dass ich mir das nur einbilde.“
„Und wie hast du dich entschieden, als du deinem Vetter begegnet bist?“, fragte
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