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Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Timoken und der Trank der Unsterblichkeit

Titel: Timoken und der Trank der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nimmo
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Fingern über die Regale, auf denen allerlei Puppen aus Holz neben Tieren aus Leder und Vögeln aus buntem Stroh saßen. Ganz besonders mochte sie das Kamel mit den Wimpern aus Eichhörnchenhaar und den funkelnden Glasaugen. Es stand in Kniehöhe auf einem Regal, und wenn sie sich hinsetzte, konnte sie über seinen glatten, hölzernen Kopf streichen.
    Zobayda nahm das Tier auf den Schoß und fragte es: „Wie hieß denn das Kamel noch, auf dem ich so viele Jahre geritten bin?“ Sie fragte sich auch, ob Timoken endlich ein Zuhause gefunden hatte. Oder zog er noch immer umher auf der Suche nach einem Ort, an dem er alt werden konnte?
    Plötzlich stach sie etwas in den Finger.
    „Was war das?“ Zobayda untersuchte das Kamel, um herauszufinden, was sie gestochen haben könnte. Doch da war nichts.
    An dem Finger, in dem jetzt der Schmerz pochte, hatte Zobayda einst einen Ring getragen. Sie konnte noch immer den blassen Abdruck sehen, den er auf ihrer Haut hinterlassen hatte.
    Sie stand auf und dabei fiel das Kamel zu Boden. Die Werkstatt begann, sich um sie herum zu drehen und zu verschwimmen. Seltsame Bilder spukten ihr durch den Kopf. Vor ihrem inneren Auge sah sie die Viridees, die Kreaturen, die sie zu dem Fluss gelockt hatten. Jetzt trugen sie feine Gewänder, doch sie erkannte sie an ihren eigenartigen Gliedmaßen und sumpfwasserfarbenen Gesichtern. Ihre kräftigen Pferde wirbelten große Staubwolken auf, während sie über eine trockene, steinige Straße donnerten. Ihr Anführer war ein Junge von zwölf oder dreizehn Jahren. Er unterschied sich zwar von den anderen Gestalten, dennoch konnte sie hinter seinem hübschen Gesicht, unter dem pelzgefütterten Umhang und der feinen grünen Tunika die gummiartigen Knochen und biegsamen Sehnen eines Viridees erkennen.
    Zobayda bedeckte instinktiv ihr Gesicht mit den Händen. Der Staub in ihrem Traum war so real, dass er ihr in den Augen brannte. Und dann sah sie eine große schwarze Bestie, einen riesigen Hengst, der Flammen spie und die Zähne fletschte. Es zog einen Wagen, der von einem kräftigen Kerl in einer braunen Mönchskutte gelenkt wurde. Hinter ihm im Wagen saßen drei weitere Männer. Ihre Gesichter waren halb von den Kapuzen ihrer Kutten bedeckt, aber das waren keine echten Mönche. Jeder von ihnen trug ein Schwert an seinem Gürtel und das Gesicht des Mannes auf dem Bock des Wagens war von Narben übersät, die nur von Messerstichen stammen konnten.
    Warum waren sie so schnell unterwegs?
    Ganz am Rande ihres Traumes bemerkte Zobayda jetzt etwas, was sie vor Erstaunen aufschreien ließ.
    „Timoken!“
    Ihr Bruder sah noch genauso aus wie vor sechzig Jahren, als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Er ritt auf dem Kamel, dessen Namen sie vergessen hatte. Im Gefolge fünf Kinder auf Pferden. Sie lachten und sangen und Timoken wirkte unbekümmert und glücklich.
    „Ich bin so froh, dass du glücklich bist, Timoken!“, rief Zobayda, eilte hinüber zu dem kleinen Fenster in der Werkstatt und erwartete fast, ihren Bruder draußen auf der Straße auftauchen zu sehen.
    Doch er war natürlich nicht in Toledo. Und dennoch hatte sie plötzlich das Gefühl, er sei ihr näher als je zuvor. Als sie gedankenverloren über den Abdruck an ihrem Finger strich, war es ihr plötzlich, als schwebte sie hoch über der Welt. Ihr Bruder und seine Freunde waren nur noch winzige Punkte in der Landschaft. Als sie aus ihrem Blickfeld verschwanden, tauchte hinter ihnen etwas auf der Straße auf. Zobayda befand sich jetzt zwar etwa eine Meile über der Erde, dennoch war sie sich sicher, dass es sich um den schwarzen Hengst und den mit den bewaffneten Mönchen besetzten Wagen handelte.
    „Timoken, pass auf!“ Doch er konnte sie weder hören noch sehen. Vermutlich dachte er sogar, sie sei längst tot. Es gab nichts, was Zobayda hätte tun können. Außerdem rief gerade jemand ihren Namen und hämmerte wie wild gegen die Hoftür.
    Zobaydas Traum verblasste. Sie fühlte, wie sie wieder zu Boden schwebte und zurück in der Werkstatt war. Etwas wacklig auf den Beinen, stieg sie die Stufen zum Hof hinauf und öffnete die Tür, die zur Straße führte. Ihre Freundin Carmela stand davor. Sie war völlig aufgelöst.
    „Was ist los?“ Zobayda zog ihre Freundin in den Hof und schloss die Tür hinter ihnen. „Ist etwas passiert, Carmela?“
    „Hast du es denn nicht gehört?“ Carmela ließ sich außer Atem auf die Steinbank sinken, die in der Mitte des Hofes stand. Hinter der Bank

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