Tims gefährlichster Gegner
exotische Wucht — wie es im Jargon der Kaffeeröster heißt.
Später würde der nächstgelegene
Stehtisch der Superbohne eine besondere Bedeutung erlangen, eine
katastrophale. Aber jetzt wies noch nichts darauf hin. Tim und Gaby betraten
das Secondhandgeschäft.
Regale, Kleiderständer — der
Shop scheint überzuquellen, dachte Tim.
Im Hintergrund war Gerlinde
Reitz mit einem Kunden beschäftigt. Sabine lehnte am Kassentisch, entdeckte
ihre Klassenkameraden und begann zu strahlen wie die Morgensonne.
Große Begrüßung, dann ein
fragender Blick.
»Ich komme als Kunde«, erklärte
Tim. »Ich brauche einen dunklen Blazer. Natürlich was Erstklassiges für wenig
Geld. Er muss sich dafür eignen, dass ich beim Familientreffen den richtigen
Eindruck mache: gepflegter Boy von ’ner Eliteschule, die aber keinen
Uniformzwang kennt mit Schulkrawatte und festgelegter Kleidung. Du verstehst?«
Sabine machte große Augen und
nickte. Sie war 14, ein schlankes Mädchen mit brauner Fitnessfrisur, blasser
Haut und braunen Augen. Mit ihren Blicken konnte sie anschmachten wie ein
bekloppter Fan, der vor seinem Idol kniet.
»Natürlich muss das Jäckchen
Tims Typ unterstreichen«, sagte Gaby. »Also passend sein zu einem Häuptling,
Kampfsportler, Mathe-Künstler und furchtlosen Verantwortungsträger.«
Sofort küsste Tim seine
Freundin auf die Wange. »Dass du mich so siehst, Pfote, geht mir runter wie
Frischmilch.«
»So wünsche ich dich mir«,
lachte Gaby.
»Ich werde mich weiterhin
bemühen.«
Sabine lachte auch, aber etwas
weniger behaglich. »Für dein Outfit, Tim, brauchtest du schon seit langem Beratung.
Zum Schick — auch für Jungs — gehört, dass man nur zwei Farben trägt. Aber du
läufst rum wie ein Papagei. In blauen Jeans, gelbem T-Shirt, roter Jacke. Man
kann schon froh sein, dass du dich nicht mit einer grünen Baseballkappe
krönst.«
Gabys Miene kühlte ab. »Falls
die mangelnde Beratung gegen mich geht, Sabinchen, möchte ich zuallererst auf
deine Frisur verweisen. Man macht das nicht selbst mit der Gartenschere,
sondern lässt sich beschnippschnappen bei einem guten Frisör.«
Gütiger Himmel!, dachte Tim.
Weshalb gehen sie aufeinander los? Ich muss schlichten. Er sagte: »Gaby berät
mich ständig. Die Nachlässigkeit liegt bei mir. Außerdem genügt es, dass Gaby
ein wandelndes Beispiel ist für besten Geschmack. Und im Übrigen — wenn man
sich so wunderbar versteht wie wir zwei, dann ist mein Outfit total nachrangig.
Ich dusche ja täglich und putze mir die Zähne.«
Sabine war erschrocken. »So
habe ich das nicht gemeint, Gaby. Das war keine Kritik an dir.«
»Ich finde deine Frisur sooo
schlecht nun auch wieder nicht«, lachte Pfote.
Erleichtert wechselte Sabine
das Thema. »Seht ihr den Typen, den meine Mutti berät?«, flüsterte sie.
»Erkennt ihr den?«
Tim äugte aus dem Augenwinkel.
»Nö.«
Gaby schüttelte den Kopf.
»Das ist doch der bekannte
Fernsehmoderator.« Sabine nannte den Namen, aber auch den kannte Tim nicht.
»Mittwochs kurz vor Mitternacht ist er auch Talkmaster bei... äh, der Sender
fällt mir gerade nicht ein. Jedenfalls kommen dort die unmöglichsten Typen zu
Wort. Vorige Woche waren es Kriminelle, die nicht erwischt worden sind und
deren Straftat inzwischen verjährt ist, sodass sie nichts mehr zu befürchten
haben.« Sabines Lächeln strahlte auf. »Bei uns kauft er regelmäßig. Für jede
Sendung ein neues Jackett.«
»Was trug er denn bei den
Verjährungsstrafen?«, erkundigte sich Tim. »Knastgrau mit Streifen?«
»Nein. Ein weißes
Leinenjackett. Er ist unser bester Kunde. Wir haben beste Kunden, gute Kunden,
ziemlich gute Kunden und Gelegenheitskunden. Zu den Letzteren wirst du jetzt
gehören, Tim. Krummi gehört zu den guten Kunden.«
Alle wussten, wer gemeint war:
Dr. Manfred Krummler, genannt Krummi. Er unterrichtete Deutsch und Geschichte
an der Internatsschule, war 34 Jahre alt, überwiegend beliebt, sah gut aus und
unterschied sich in einer Hinsicht total von den übrigen Lehrern: Er hatte
Eleganz. Er war immer topschnieke in Schale, wechselte täglich sein Outfit und
trug allenfalls zweimal im Monat dieselben Klamotten. Eine Zeit lang hatte das
Anlass gegeben zu der Vermutung, er sei von Haus aus begütert, was aber nicht
zutraf. Er stammte aus kleinen Verhältnissen. Trotzdem reichte sein Gehalt für
die Fülle im Kleiderschrank. Und Sabine hatte dafür gesorgt, dass das Geheimnis
gelüftet wurde. Krummi war Stammkunde in Secondhandshops,
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