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Tims gefährlichster Gegner

Tims gefährlichster Gegner

Titel: Tims gefährlichster Gegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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schwatzten mit ihnen. Die dritte
Frisörin — alle trugen kleidsame Kittel — stand bei der Kasse, hatte sich an
den Tresen gelehnt und blätterte in einer Zeitschrift. Aus Instinkt hob sie
jetzt den Blick und Henning sah in ihre nussbraunen Augen.
    Es war noch die Daniela von
damals. Allerdings war der Seitenscheitel ihrer langen Haare zur Mitte
gerutscht.
    Henning grinste, so freundlich
er konnte. Er hob die Hand und krümmte mehrmals den Finger auf sich zu, die
lockende Komm-bitte-her-und-zwar-sofort-Geste.
    Er beobachtete Danielas Miene.
Erschrecken. Kurzer Biss auf die Unterlippe. Zögern. Sie war blass geworden,
aber als sie herauskam, hatte sie wieder ihre frische Gesichtsfarbe.
    »Hallo, Daniela!« Er grinste
und überlegte, ob er sie in Erinnerung alter Zeiten umarmen sollte.

    Das erübrigte sich. Sie hielt
Distanz und streckte ihm die Hand hin, wobei sie den Arm auf volle Länge
ausfuhr.
    »Hallo, Henning!«
    »Geht’s dir gut?«
    »Sehr gut. Und dir?«
    »Jetzt auch.«
    Sie bemühte sich um Coolness,
aber Unsicherheit lag im Blick. »Seit wann bist du draußen?«
    »Seit heute. Das mit den
Anzügen war eine Überraschung, leider keine angenehme. Ich hatte geglaubt, du
hättest dir dein Geld noch von Jochen geholt — bevor er sich das Licht
ausmachte. Wie du’s in deinem Brief geschrieben hast.«
    »Ja, wollte ich auch. Ging aber
nicht. Ich kam zu spät.«
    »Jetzt bin ich also um fünf
Anzüge ärmer.«
    Sie schwieg.
    »Eigentlich kein Beinbruch«,
sagte er und spürte, wie plötzliche Wut in ihm hochbrannte, »aber an dem
pflaumenblauen Caldo-Versatscho-Anzug hänge ich. Von dem habe ich im Knast
geträumt. Dort ist modemäßig der Hund verreckt. Zum Grausen.«
    Daniela schwieg.
    »Mag dir vielleicht seltsam
vorkommen«, sagte er, »aber ich will den Anzug zurückhaben.«
    »Wie? Du willst... Aber doch
nicht den? Du kaufst dir einen neuen.«
    »Nein, den!«
    Sie sah ihn an, als hätte sein
Verstand hinter Gittern gelitten.
    »Daniela! Zu welchem Secondhandshop
hast du ihn gebracht?«
    Kopfschüttelnd antwortete sie:
»Zum... lass mich überlegen... ja, zum Dresscode. Beim Alten Rathaus.
Aber das war vorigen Juli. Obwohl das der teuerste Anzug war, ist er ziemlich
bald verkauft worden. Jetzt ist er bestimmt nicht mehr neu.«
    »Egal. Ich will den Anzug
zurückhaben.«
    Danielas weibliche Neugier war
erwacht. »Kannst du mir sagen, weshalb?«
    »Dieser Anzug hat für mich
symbolische Bedeutung.«
    »Verstehe.« Sie verstand
überhaupt nichts.
    »Der Gedanke an diesen
Edelzwirn hat mich im Knast über Wasser gehalten — geistig, seelisch,
kulturell.«
    »Aha! Tragen willst du ihn also
nicht. Denn es könnte ja sein, dass ihn der Käufer hat ändern lassen. Kürzen
der Hosenbeine oder so.«
    Die Vorstellung rieselte ihm
wie Eiswürfel übers Rückgrat. Hoffentlich keine Änderung an den
Schulterpolstern, dachte er. Die waren ja ziemlich betont, mehr als sonst
üblich.
    Er nickte, weil sie ihn fragend
ansah, wusste aber nicht mehr, worauf sich das bezog. »Das war’s dann, Daniela.
Äh... wieder in festen Händen?«
    »Ich habe einen sehr netten
Bekannten.«
    »Schön für dich. Warum du mich
abgehalftert hast, habe ich bis heute nicht begriffen.«
    »Du warst nicht ehrlich zu
mir.«
    »Was? Wirklich? Kann mich nicht
entsinnen. Na ja, ist sowieso Schnee von gestern. Ich wünsch dir was!«
    Sie gingen auseinander, ohne
sich nochmals die Hand zu geben.
    Henning sah auf die Uhr. Uih!
Gleich vier. Der Tag war dahingerast. Aber vielleicht täuschte das, denn im
Gefängnis hatte man ein anderes Zeitgefühl. Der totale Mangel an Vorfreude und
Ereignissen verwandelte dort alles in einen trägen Fluss.
    Henning fuhr, so dicht er
konnte, an die Fußgängerzone beim Alten Rathaus und stellte seinen Wagen in
eine Tiefgarage.

6. Die
Eisgesichter bei Biju
     
    Gaby war happy. Der reparierte
Ohrring passte wie zuvor. Biju schmunzelte, als sie sich vor den Spiegel setzte
und ihr Halbprofil betrachtete.
    Tim hatte seine Tüte abgesetzt
und bedankte sich beim Juwelier mit kräftigem Händedruck. Dann fiel ihm ein,
dass er dank des verbilligten Einkaufs noch 30 Euro in der Tasche hatte.
    »Ich vermute mal, der
wundervolle Schmuck hier kostet pro Stück mindestens vierstellig, vieles auch
fünfstellig. Aber Sie hätten auch Modeschmuck, sagte mir Gaby.«
    »Nicht mehr, Tim. Ich hatte
auch ein kleines Sortiment an preiswertem Modeschmuck, aber es passte nicht zu
meinem Geschäft. Es hat die falschen Leute reingelockt.

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