Tina Turner - Die Biografie
sie mit ein wenig Auflehnung in der Stimme. (5)
„Ich rannte durch den Flur und hatte Angst, dass ich seinen Leuten – seiner Band und seinen Bodyguards – in die Arme laufen würde. Deshalb wählte ich einen Notausgang und lief die Treppe hinunter. Ich hatte solche Angst … schließlich wussten ja alle, dass Ike und Tina in einer halben Stunde auf der Bühne stehen sollten. Dann drehte ich mich um und rannte durch eine Küche. So schnell ich konnte, rannte ich da durch und verließ das Gebäude durch den Hinterausgang. Ich weiß noch, wie ich mich erst einmal auf ein paar Mülltonnen warf, einfach nur, um mich auszuruhen und das Gefühl zu haben, ich sei entkommen. Dann kam ich wieder zu mir und dachte: ‚Und was jetzt?‘ Daraufhin rannte ich los. So schnell ich konnte.“ (5)
Die kleine Gasse führte direkt auf eine Schnellstraße. Auf der anderen Seite der Schnellstraße gab es ein weiteres Hotel, das Ramada Inn. Tina hoffte, dass dies ihr rettender Hafen sein würde. Blutend, mit geschwollenem Gesicht und verzweifelt ging sie an die Rezeption und bat darum, den Manager zu sprechen.
Wenn sie schon vorher beschlossen hätte, Ike an jenem Tag zu verlassen, dann hätte sie sich darauf vielleicht besser vorbereitet. Aber ihr war plötzlich klar geworden, dass es für sie an der Zeit war, nun endlich auszubrechen und frei zu sein. Als sie jetzt in ihren Taschen nachschaute, merkte sie, dass sie bis auf 36 Cents und eine Kreditkarte des Ölunternehmens Mobil nichts dabei hatte.
Sie informierte den Manager des Ramada Inn darüber, wer sie war, und klärte ihn darüber auf, dass ihr Ehemann sie verprügelt habe und sie nicht mehr als eben diese 36 Cents bei sich trage. Sie fragte ihn, ob sie vielleicht ein Zimmer haben könnte, und gab ihm ihr Ehrenwort, dass sie ihm das Geld wieder zurückzahlen würde. Da er den Ernst der Lage sah und sie erkannte, gab er ihr seine beste Suite. Zudem stellte er ihr zwei Sicherheitsmänner vor die Tür und bot ihr an, sie könne sich alles zu essen bestellen, worauf sie Lust habe. Doch ihr Gesicht war so geschwollen und so lädiert, dass sie lediglich etwas Suppe und ein paar Cracker zu sich nehmen konnte.
Nachdem der Hotelmanager gegangen war, wusch sie sich das Blut von ihrem weißen Hosenanzug und legte ihn in ihrem Zimmer zum Trocknen über die Heizung. Von dem Kampf, den sie gerade hinter sich hatte, tat ihr noch alles weh. Trotzdem versuchte sie zu überlegen, was nun zu tun war: „Ich musste jemanden anrufen, der Geld hatte. Meine Familie hatte kein Geld für ein Ticket. Das war eben das Problem. Aber ich kannte niemanden, der mir etwas hätte geben können. Die Leute mit Geld, das waren alles Ikes Leute“, erzählt sie. (5)
Sie rief einen Mann namens Mel Johnson an. Er war ein Freund von Ike aus St. Louis. Momentan arbeitete er als Cadillac-Händler in Los Angeles. Irgendwie spürte sie aber, dass es ein Fehler war, Mel anzurufen. Nachdem sie aufgelegt hatte, rief sie bei Ikes Manager Nate Tabor an. Ihm war die Situation der beiden vertraut, weshalb er ihr seine Hilfe anbot. Tabor hatte Freunde in jenem Teil von Texas. Die beiden, ein älteres weißes Ehepaar, sollten Tina abholen, sie zum Flughafen bringen und ihr ein wenig Bargeld mitgeben.
Am nächsten Tag lief alles wie geplant. Als das Flugzeug zum Landeanflug auf Los Angeles ansetzte, bekam Tina plötzlich Angst: Vielleicht war Ike vor ihr dorthin geflogen und würde nun am Gate darauf warten, dass sie aus dem Flugzeug stieg. Im Kopf ging sie diese Möglichkeit durch und kam letztlich zu dem Schluss, dass sie dann ganz einfach so laut sie konnte losschreien würde, und zwar so lange, bis die Polizei käme. Eines stand jedenfalls fest: Sie würde niemals wieder zu Ike zurückkehren.
Tina hatte sich die allergrößte Mühe gegeben, sich zu verkleiden, so dass niemand sie erkennen würde. Um ihre Haare hatte sie noch immer ein Tuch gewickelt und sie trug eine große dunkle Brille. In dieser Aufmachung rief sie nach einem Taxi. Doch als der Taxifahrer sich zu ihr herumdrehte, um sich nach ihrem Fahrziel zu erkundigen, war seine erste Frage, ob sie nicht Tina Turner sei. Nun gut, so viel also zu ihrer Verkleidung …
Das Wochenende um den 4. Juli herum verbrachte sie bei Nate Tabor zu Hause. Sie blieb eine Woche dort. Schließlich begriff sie, dass sie sich ihren Problemen stellen musste, da es überhaupt keine Hoffnung auf Versöhnung gab: „Der Grund, weshalb ich mich entschied zu gehen, war der, dass ich
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