Tina und Tini 05 - Die geheimnisvolle Rumpelkammer
Tini, versunken in den Anblick einer kleinen Prinzessin in einer himmelblauen Seidenrobe, die ein spitzes Schleierhütchen trug, wie eine erwachsene Dame.
„Nicht wahr?“
Tini zuckte zusammen und sah sich um. Sie hatte gar nicht bemerkt, daß sie nicht allein im Raum war. Da drüben in der Ecke saß vor einer Staffelei ein freundlicher alter Herr in seine Arbeit vertieft.
„Oh — habe ich dich erschreckt? Das wollte ich nicht.“
„Ach, das macht doch nichts. Ich war nur so vertieft.“
„Sie ist hübsch, die kleine Prinzessin Constanzia , nicht wahr? Die schelmischen dunklen Augen, die langen Locken — sie ist mein Liebling hier.“
„Das kann ich verstehen. Mir gefällt das Kleid so gut!“
„Ja, das waren noch Kleider. So etwas gibt es für euch heute nicht mehr.“
„Malen Sie sie?“
„Wie meinst du?“
„Ich meine — kopieren Sie das Bild?“
„Die kleine Prinzessin, o nein! Ich kopiere das Bild nicht“, der Mann lachte freundlich. „Ich mache etwas ganz anderes. Hab mich nur hier hereingesetzt, weil das Licht so gut ist. Komm, schau es dir an.“
„Was ist das?“
„Siehst du diese dicke Farbschicht? Die nehme ich vorsichtig ab. Und darunter kommt das Wunder eines Kunstwerks zum Vorschein, das irgendein törichter Heuchler und Frömmler einfach überpinseln ließ — weil ihm die Damen auf dem Bild nicht genug anhatten!“ Er lachte schallend.
Tini staunte. „Das kann man — so eine Farbschicht einfach wieder herunterkratzen?“
„Nicht kratzen, um Himmels willen! Dann würde von dem Kunstwerk darunter nicht viel übrigbleiben. Nein, man hat da bestimmte Chemikalien, mit denen man die Schicht vorsichtig lösen kann, siehst du — so. Das ist natürlich auch so eine Kunst.“ Tini schaute der Arbeit des Mannes atemlos vor Bewunderung zu. Sie schaute auf das Bild, auf den alten Mann, auf die Töpfchen mit den Flüssigkeiten, die Läppchen, Pinsel und Pinzetten und was da sonst noch an Utensilien herumlag — und schaute auf die Gemälde an den Wänden. Klick! machte es irgendwo in ihrem Gehirn.
„Mir geht ein Licht auf“, sagte Tini tonlos.
Der alte Mann hatte ihre Anwesenheit schon wieder vergessen, so sehr war er in seine Arbeit vertieft.
„Äh, schon wieder leer“, brummte er ärgerlich und warf ein Fläschchen, in dem sich nur noch ein kleiner Rest Flüssigkeit befand, ärgerlich zur Seite. Tini hob es auf.
„Danke, laß nur, ich brauche es nicht mehr“, brummelte der Mann.
Plötzlich hatte es Tini sehr eilig.
„Ich will Sie nicht weiter stören“, sagte sie, „auf Wiedersehen. Viel Erfolg für Ihre Arbeit. Ich komme mir das Bild dann anschauen, wenn es hier an der Wand hängt.“
Auf der Treppe stieß sie mit Tina zusammen.
„Ich muß so schnell wie möglich nach Hause!“
„Was ist los, ist dir nicht gut?“
„Im Gegenteil. Aber ich muß etwas ausprobieren.“
„Hat das nicht Zeit bis heute nachmittag ? Wir sind doch noch lange nicht fertig.“
„Also gut. Komm, ich zeig dir ein paar herrliche alte Bilder.“
„Mich interessieren die modernen eigentlich mehr.“
„Also schön, leisten wir Mutti da oben ein bißchen Gesellschaft.“
Tini wußte, daß es keine Ausrede für sie gab, die Museumsbesichtigung vorzeitig abzubrechen, sie mußte ihre Ungeduld bezähmen.
Als sie zu Hause ankamen, stürzte sie in ihr Zimmer, holte das Bild der „Lucia“ aus seinem Versteck hinter dem Kleiderschrank hervor und stellte es auf dem Bett auf.
„Kannst du mir mal verraten, was das soll?“ fragte Tina kopfschüttelnd.
„Erst hol Tobbi her!“
Tina gehorchte.
„Wo steckt Mutti?“ erkundigte sich Tini, als die beiden ins Zimmer traten.
„Sie ist oben in der Küche und bereitet das Mittagessen vor. Was machst du da?“
Tina kramte in ihrer Kommode nach einem alten Taschentuch, dann zog sie das Fläschchen mit dem Rest der Flüssigkeit, die der alte Mann benutzt hatte, aus der Tasche.
„Ich könnte mir denken, daß wir alle drei gleich eine große Überraschung erleben werden.“
Sie ließ ein paar Tropfen der geheimnisvollen Flüssigkeit auf die Ecke des Taschentuchs fallen und trat an das Bild heran. Tina und Tobbi folgten jeder ihrer Handbewegungen. An der äußersten Ecke des Bildes begann Tini zu reiben. Zunächst mal geschah gar nichts, aber dann...
„Kommt her, seht euch das an!“ rief Tini atemlos vor Aufregung. Dabei wiederholte sie die Prozedur, nun schon etwas mutiger geworden .,
„Es hat einen dunklen Fleck gegeben! Warum
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