Tina und Tini 05 - Die geheimnisvolle Rumpelkammer
ihn in den siebten Himmel versetzt!“
„Ja, es tut mir auch leid, daß er nicht kommen konnte“, sagte Konsul Stanner . „Aber sein Vater war unerbittlich — er mußte sofort mit auf See, um ihm die Flausen auszutreiben, wie er sagte.“
„Und das konnten Sie nicht verhindern?“ fragte Tobbi empört. „Nein, aber ich habe ihm gesagt, er könne sich jederzeit bei mir melden, wenn er eine neue Lehrstelle sucht.“
Nach dem Essen setzte man sich um den Kamin, der Diener servierte den Erwachsenen Kaffee, für die Kinder standen Fruchtsäfte und Gebäck bereit.
„Herr Konsul, eines möchte ich Sie noch fragen“, sagte Tini plötzlich. „Wie viele Bilder haben Sie durch die Fälscherbande denn nun verloren?“
Der Konsul lächelte. „Genaugenommen — keines.“
„Kein einziges? Wie ist das möglich?“ Tina und Tini schauten ihn entgeistert an.
„Habt ihr eigentlich schon gesehen, was unter dem Bild der Dreimastbark war?“ Konsul Stanner stand auf und ging in die Bibliothek hinüber. Gleich darauf kam er mit einem Bild zurück.
„Donnerwetter!“ fuhr es Tini heraus. „Aber das ist doch...“
„Ja, das ist ein echter Rembrandt. Und nun paß auf!“
Auf einen Wink des Konsuls hatte sich Professor Ilgenstein erhoben und eine Tasche geholt, die er vorhin auf einem Seitentisch abgestellt hatte. Jetzt nahm er eine kleine Flasche und ein weiches Tuch heraus, befeuchtete das Tuch mit der Flüssigkeit und begann, damit den Rembrandt zu bearbeiten. Tina und Tini schrien unwillkürlich auf, als sich die Farbe zu lösen begann und eine helle Fläche darunter erschien.
Professor Ilgenstein arbeitete schnell und energisch, er schien jede Rücksicht auf das kostbare Bild vergessen zu haben. Tina, Tini und Tobbi hielten den Atem an. Neben der hellen Fläche erschienen jetzt ein Hut und der Teil eines Gesichts.
„Als ich dieses Haus von meinem Großvater erbte, hing es von oben bis unten voller scheußlicher Ahnenbilder. Von jeder Wand starrten mich ein Urgroßonkel oder eine Urgroßtante an, und zu allem Unglück war an die Erbschaft die Bedingung geknüpft, die Bilder dürften nie von ihrem Platz entfernt werden. Das hat mich so geärgert, daß ich eines Tages meinen Freund hier bat, die Bilder zu übermalen — und zwar mit Kopien der schönsten und wertvollsten Gemälde der Welt. Das Original dieses Bildes hängt im Louvre in Paris.
Ich habe darüber natürlich nie gesprochen, und so mußte der arme Piepenhahn annehmen, es handele sich wirklich um Originale. Hätte er etwas mehr von der klassischen Malerei verstanden, wäre ihm das sofort aufgefallen.“
Tina, Tini und Tobbi lachten hellauf.
„Nun, die Ölscheichs werden kaum weniger Freude an ihren Bildern haben, auch wenn es nur gut gemalte Kopien sind — sehr gut gemalte!“ Der Konsul trank seinem Freund Professor Ilgenstein zu. „Schließlich habe ich mich selbst auch viele Jahre daran erfreut.“
Die Unterhaltung wandte sich anderen Themen zu, man sprach nicht mehr von den Bildern. Plötzlich lachte Tobbi schallend auf.
„Was ist los?“ fragte Tina kopfschüttelnd.
„Entschuldigt bitte. Aber ich hatte gerade die Vorstellung, wie der arabische Restaurator vor den gestrengen Augen seines Ölscheichs die Farbschicht von einem der Bilder löst, und zum Vorschein kommt nicht die lächelnde Mona Lisa, sondern eine bitterböse Urgroßtante des Konsuls!“
„Ein Jammer, daß wir morgen wieder zurück ins Internat müssen“, seufzte Tini, nachdem sich das allgemeine Gelächter beruhigt hatte.
„Ja, wirklich. Ich begreife gar nicht, wie diese Tage so schnell vergehen konnten. Mir ist es, als seien wir gestern erst hier angekommen“, bestätigte Tina.
„Wirklich! So schnell waren die Ferien noch nie vorbei“, meinte Tobbi . „Bleibt nur der Trost, daß die Weihnachtsferien nicht mehr so fern sind.“
„Aber ihr habt sie doch sicher sehr genossen — eure Ferien im Haus von Kapitän Paulsen“, sagte der Konsul und prostete Frau Paulsen zu.
„Und wie! Das ist es ja — je schöner etwas ist, desto schneller scheint die Zeit herumzugehen“, sagte Tina eifrig.
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