Tina und Tini 06 - Das Geheimnis des Gaertners
Arbeitsraum.
„Meine Schwester! Schnell! Es ist etwas Furchtbares passiert. Bitte, helfen Sie mir!“ hörte Tini ihn stammeln.
Tini ballte unwillkürlich die Fäuste und nahm die Haltung eines Hundertmeterläufers beim Start an. Tobbi mußte eine ganze Weile auf Herrn Kastl einreden, ehe der sich entschloß, mitzukommen. Hoffentlich nahm er sich nicht erst die Zeit, das Treibhaus abzuschließen! Nein, da kamen sie, Herr Kastl und dicht hinter ihm Tobbi. Kaum waren sie um die Ecke gebogen, war Tini an der Tür und betrat vorsichtig den Raum, in dem Herr Kastl seinen Arbeitstisch hatte. Draußen hörte sie Tina jammern, durch die milchigen Scheiben des Glashauses sah Tini undeutlich die drei Gestalten am Boden. Jetzt nur schnell! Tini sah sich um wie ein Jagdhund, der die Fährte eines Hasen wittert.
Der Plan auf dem Tisch! Tini riß die Kamera aus der Tasche und fotografierte, ohne sich die Zeit zu nehmen, die Zeichnung vorher zu betrachten. Dann sah sie sich um. Dort, an der Wand hing ein zweiter Plan. War es der gleiche? Na egal, zur Sicherheit fotografierte sie auch diesen. Draußen wurde Tinas Heulen kläglicher. Tini ließ den Fotoapparat in der Tasche verschwinden und lief ins Glashaus hinüber. Durch den Spalt eines geöffneten kleinen Kippfensters konnte sie erkennen, wie Tina sich verzweifelt Herrn Kastl an den Hals hängte, der zum Treibhaus zurückwollte und vergebens versuchte, sich aus Tinas Umklammerung zu befreien.
Nein, es hatte keinen Sinn, Herrn Kastls Schrank und das Schubfach im Tisch zu untersuchen. Besser, sie brachte sich gleich in Sicherheit. Tina spielte ihre Rolle so übertrieben, daß Herr Kastl sofort Verdacht schöpfen würde, wenn er Tini im Treibhaus vorfand.
Wie eine Katze glitt Tini durch die Tür, schlich sich davon und lief im Bogen zum Ort des Geschehens zurück. Schon von weitem rief sie nach der Freundin, als hätte deren Gejammer sie angelockt.
„Tina, um Himmels willen, was ist passiert?“
Tini nahm die schluchzende Tina in die Arme, und Herr Kastl schüttelte sich erleichtert.
„Scheint, als hätte deine Freundin sich verletzt. Sie ist gestürzt und kann nicht mehr auftreten. Bringt sie zum Schloß rüber, da wird man sich um sie kümmern.“
Herr Kastl beeilte sich, davonzukommen. Tina schniefte noch einmal heftig hinter ihm her und stöhnte abgrundtief.
„Gott sei Dank!“ flüsterte sie. „Viel länger hätte ich nicht mehr durchgehalten. Jetzt müßt ihr mich wegtragen!“ Sie kicherte leise.
„Leg deine Arme um unsere Schultern, wir machen aus unseren Händen einen Sitz für dich. Aber nur bis zum Pulverturm, keinen Schritt weiter!“
Tobbi und Tini nahmen Tina in die Mitte und hoben sie hoch.
Stolpernd schleppten sie sie fort, und Tina jammerte bei jedem Stoß heftig auf.
„Jetzt hör auf, dich in deine Rolle so hineinzusteigern. Am Ende kannst du wirklich nicht mehr laufen, und wir müssen dich die nächsten Wochen ständig tragen!“ knurrte Tobbi. „Mir brummt schon der Schädel von deinem Geschrei!“
„Nun erzähl doch mal! Hattest du Erfolg?“ sagte Tina, statt auf die Vorwürfe ihres Bruders einzugehen.
„Ich fürchte, nein. Die Zeit war einfach zu kurz. Ich habe zwar den Bauplan des Gartens fotografiert, den er vor sich auf dem Tisch hatte, aber noch einen Blick in den Schrank und die Schubfächer zu werfen, dazu bin ich gar nicht gekommen.“
„Hast du wenigstens den Fußboden untersucht? Ob er unten hohl ist oder ob ein Versteck unter den Brettern sein könnte?“ fragte Tobbi drängend.
Tini schüttelte mißmutig den Kopf.
„Ich sagte doch schon — in den paar Minuten war das unmöglich! Nachdem Tina sich so auffallend benahm, wollte ich michnicht von ihm da drin überraschen lassen. Er hätte sofort Verdacht geschöpft.“
„Auffallend! Wo ich mir die Seele aus dem Leib gespielt habe! Ich habe ja fast schon selbst an meinen Unfall geglaubt!“
„Also nichts. Wir sind so schlau wie vorher. Was nützen uns schon ein paar Aufnahmen von dem Bauplan der Gartenanlage. Was versprichst du dir davon? Du hättest lieber gleich den Fußboden untersuchen sollen — oder einen Blick in den Schrank werfen! Mist! Die ganze Mühe umsonst!“
„Pst! Versteckt euch! Da kommt er!“ zischte Tina den anderen zu.
Sie waren so vertieft gewesen, daß sie gar nicht bemerkt hatten, wie Herr Kastl sein Gewächshaus verlassen und die Tür sorgfältig abgeschlossen hatte. Jetzt kam er den Weg zum Pulverturm herauf.
Tina, Tini und Tobbi hatten
Weitere Kostenlose Bücher