Tina und Tini 06 - Das Geheimnis des Gaertners
gerade noch Zeit, sich hinter einem Steinhaufen zu verbergen. Mit angehaltenem Atem drückten sie sich so flach wie möglich hinter die schützende Mauer und verfolgten, wie Herr Kastl am Pulverturm vorbeiging.
„Wahrscheinlich will er zum Schloß hinüber und sehen, was aus der armen Verletzten geworden ist“, flüsterte Tina kichernd.
„Der? Dem ist das doch völlig Wurscht!“ zischte Tini. „Da! Er geht zum alten Speicher hinüber. Wartet — ich schleiche ihm nach. Wir treffen uns später drüben im Schloß.“
Tini hätte nicht sagen können, was sie mit diesem Unternehmen bezweckte. Sie hatte nur den heißen Wunsch, ihr Versagen von vorhin wiedergutzumachen. Vielleicht war ihr das Glück hold, und sie ertappte Herrn Kastl bei irgend etwas, das sein Geheimnis lüften half.
„Laß mich das doch machen!“ rief Tobbi ihr nach, als sie aufsprang und davonging.
„Dich hat er gerade unten gesehen. Es würde ihm komisch vorkommen, wenn du ihm jetzt schon wieder über den Weg läufst.“
„Sie hat recht, Tobbi. Er würde sich wundern, daß du nicht bei deiner schwer verletzten Schwester geblieben bist.“
„Na, dann komm. Wenn ich ehrlich sein soll: Ich glaube immer noch, daß Tini sich da bloß was einredet.“
Tini tat, als wolle sie zum alten Pferdestall hinüber, in dem sich jetzt die Turnhalle des Landschulheims befand. Dabei ließ sie Herrn Kastl nicht aus den Augen. Der Gärtner ging am Speicher vorbei, sah sich lauernd um und schlug dann den Weg zum Geräteschuppen ein, der etwas abseits, hinter Büschen versteckt, außerhalb der Wirtschaftsgebäude lag. Hier wurden in früheren Zeiten, als Schloß Bergheim noch Gutshof war, die Pflüge und Eggen gelagert. Ein paar unbrauchbar gewordene Landmaschinen standen noch dort, kein Mensch kümmerte sich darum.
Tini hatte es nicht schwer, Herrn Kastl zu folgen. Der Weg verlief in Schlangenlinien und war von dichtem Buschwerk umgeben, das ihr jederzeit Schutz bot, wenn Herr Kastl einmal stehenblieb und zurückschaute.
Am Geräteschuppen hielt Herr Kastl an und sah sich um. Tini wich zur Seite und spähte durch die Zweige der Tanne, hinter der sie sich versteckt hielt. Herr Kastl schien schon öfter im Geräteschuppen gewesen zu sein, jedenfalls trat er entschlossen auf eine der alten Maschinen zu, entfernte ein paar alte Säcke, öffnete einen darunter befindlichen Kasten, hob eine alte Kuhkette und ein paar verrostete Metallteile hoch, die Tini nicht erkennen konnte, und ließ blitzschnell etwas aus seiner Tasche in den Kasten gleiten. Dann packte er alles wieder so hin, wie es vorher gelegen hatte, sah sich noch einmal um und ging in die andere Richtung davon.
Tini wartete lange, ehe sie wagte, in den Geräteschuppen zu schleichen. Es war den Schülern des Landschulheims bei strengen Strafen verboten, in die Nähe der alten Maschinen zu gehen oder etwa daran herumzuspielen — was viele der Jungen gern getan hätten. Als Tini sicher war, daß niemand sie beobachtete, lief sie zu der Stelle, an der eben noch Herr Kastl gestanden hatte. Ja, da waren die alten Säcke und darunter der Werkzeugkasten. Tini öffnete ihn mit vor Aufregung zitternden Fingern. Sie schob die verrostete Kette und das alte Werkzeug beiseite. Was mochte Herr Kastl hier versteckt haben? Sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Zwischen dem Werkzeug lag eine leicht angeschmutzte, zerknitterte Plastiktüte mit Putzlappen, wie man sie zum Reinigen von öligen Maschinenteilen benutzte. Tini wollte sie schon beiseite werfen, da stutzte sie.
Wieso war dieses wollige Zeug so sauber? In all diesem Schmutz hätte es doch ölig und verschmiert sein müssen! Vorsichtig zog sie an den weißen Fäden und hielt plötzlich ein feines Netz in der Hand. Ein Netz mit langen weißen Haaren! Eine Perücke! Und da war noch etwas — ein falscher Bart. Und beides kam Tini bekannt vor.
Hastig versteckte Tini, was sie da eben entdeckt hatte. Sie hätte ihren Fund gern Tina und Tobbi gezeigt, aber es hätte Herrn Kastl gewiß mißtrauisch gemacht, wenn er Perücke und Bart nicht in ihrem Versteck fand, falls er danach suchte.
„Na? Irgendwelche neuen Erkenntnisse?“ In Tobbis Stimme klang leiser Spott mit, als er Tini begrüßte.
„Ich kann mich nicht beklagen“, antwortete Tini schmunzelnd. „Wenn ihr hört, was ich gefunden habe, kriegt ihr den Mund nicht mehr zu vor Staunen!“
„Nun red schon, mach’s nicht so spannend“, drängte Tina. „Ich habe den armen alten Professor
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