Tina und Tini 09 - Geisterstimmen im Park
es, wie ein Stöhnen. Wäre es nicht so windstill gewesen, hätte man es für das klagende Geräusch des Windes in den Bäumen halten können. Aber kein Blatt bewegte sich über ihnen. Tina, Tini und Tobbi erstarrten.
Da war es wieder!
„Er — nes — ti — ne“, wimmerte es in seltsamem Singsang über ihren Köpfen. Und noch einmal. „Er — nes — ti — ne!“
Tina fühlte, wie ihre Hände feucht vor Schweiß wurden. Was zum Teufel war das? Wie ein Mensch hörte es sich nicht an. Außerdem hätte man ihn sehen müssen in den zartbelaubten Zweigen der Birke, unter der sie standen. Da aber war nichts als ein dünner Schleier aus Blättern und darüber der Sternenhimmel.
„Er — nes — ti — ne!“
Diesmal kam es nicht von oben, sondern von der anderen Seite des Parks. Und gleich darauf von einer dritten Stelle. Tobbi drängte sich dicht an die beiden Mädchen, Tina fühlte, daß auch das Herz ihres Bruders bis in den Hals hinauf schlug.
„Laßt uns abhauen!“ hauchte Tini, aber keiner wagte, sich vom Fleck zu rühren.
Und jetzt geschah etwas Unglaubliches. Das Wimmern kam wieder von einer anderen Stelle, diesmal etwas kräftiger, und zur gleichen Zeit leuchtete ein weißlich-blaues Licht in den Bäumen auf, formte sich zu einem Bild — wie aus Nebel — das Gesicht eines Mannes!
„Er — nes — ti — ne! Hörst — du — mich? Kooommmm !“ Das Komm hallte mit vielfachem Echo aus allen Richtungen, jeder Baum schien „Komm!“ zu rufen.
Oben im Haus wurde es hell. Ein Fenster flog auf, und eine kräftige Frauengestalt erschien.
„Nein!“ schrie sie außer sich. „Nein! Ich bitte dich, hör auf damit! Hör auf, ich ertrage es nicht, nein, ich kann es nicht!“
Mit einem lauten Knall flog das Fenster zu, und gleich darauf dröhnte aus dem Erdgeschoß des Hauses Musik. Jemand spielte Klavier.
„Nichts wie fort von hier!“ keuchte Tina.
Wie gehetzte Hasen stolperten sie zum Boot zurück und atmeten erst auf, als das Boot wieder auf den Fluß hinausglitt.
„Ich habe geglaubt, ich spinne!“ platzte Tini schließlich heraus. „Das gibt’s doch nicht!“
„Anscheinend doch“, meinte Tina zögernd. „In England soll es eine Menge Geister geben.“
„Wer’s glaubt, wird selig“, brummte Tobbi. „Aber ich möchte wirklich wissen, was das zu bedeuten hat.“
Ein Ekel kommt selten allein
Am nächsten Tag hielten sie alles nur noch für einen Traum, so unwahrscheinlich kam ihnen ihr Erlebnis vor. Und doch — es konnte kein Traum sein! Schließlich waren sie zu dritt gewesen, waren über den Fluß gerudert, waren bei ihrer übereilten Rückkehr bis über die Hüften naß geworden, als sie das Boot ins Wasser zurückgeschoben hatten. Und die nassen Sachen hingen auf der Leine!
Sie erzählten Frau Greiling vorerst nichts von ihrem Erlebnis. Eine Erklärung für die durchnäßten Kleidungsstücke war schnell gefunden. Tina berichtete beim Frühstück, sie hätten noch einen Spaziergang zum Fluß unternommen und im Boot gespielt. Sie hätten geschaukelt und getobt und so lange Unfug getrieben, bis der Kahn gekippt wäre und sie alle drei im Wasser gelandet seien.
„Ein Glück, daß die Nächte jetzt so warm sind“, hatte ihre Mutter lachend gesagt. „Das hätte sonst einen schönen Schnupfen gegeben!“
Für heute stand ihnen der Sinn nicht nach Bootsfahrten, und es kam ihnen gerade recht, daß Frau Greiling sie gebeten hatte, den Kirschbaum abzuernten.
So schleppten sie gleich nach dem Frühstück die Leiter in den Obstgarten, versorgten sich im Schuppen mit Körben und machten sich an die Arbeit.
Zunächst mußten sie das große Netz entfernen, das Frau Greiling mit Hilfe des Gärtners über den Baum gespannt hatte, um den gierigen Staren den Zutritt zu verwehren. Das war gar nicht so leicht, aber mit Hilfe von zwei Stangen gelang es ihnen schließlich.
„Hinein ins Vergnügen! Mann, ist das eine Pracht!“ rief Tobbi begeistert aus. „So toll hat der Baum noch nie getragen.“
„Pflücken tue ich ja gern“, meinte Tina, „aber entsteinen! Das ist eine gräßliche Arbeit.“
„So, und wenn Mutti die Kirschen mit Stein einweckt, dann maulst du auch wieder, daß du Kirschkompott mit Steinen nicht ausstehen kannst.“
„Ich weiß. Man müßte eben mal etwas erfinden, das die Steine von allein aus den Kirschen hüpfen läßt. Einen Kirschkern-Magneten oder so.“
„Oder man müßte kernlose Kirschen züchten, so wie es kernlose Orangen gibt“, meinte Tini, die
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