Tina und Tini 10 - Tina und Tini und die spanischen Zwillinge
grauenvoll, was sie mit dem armen König gemacht haben, nicht wahr?“, flüsterte Tina. „Bin ich froh, dass ich nicht zu der Zeit gelebt habe!“
„Das meine ich nicht“, sagte Tini. „Aber das versuchte Attentat da eben. Die Schleife ist sicher aus Nylon, sie hätte in Sekundenschnelle in Flammen aufgehen können!“
„Was faselst du da?“
„Erzähl ich dir später. Warte mal...“
Tini drängte sich in die Richtung, in der sie die Hand gesehen hatte. Aber die Führung in der Kapelle war beendet und alles strebte nach draußen, dem nächsten Punkt der Besichtigung zu. Als Tini endlich in den Raum kam, war nichts mehr zu sehen. Und auch in der Reisegruppe war niemand Verdächtiges zu entdecken.
„Ich glaube, hier spukt’s “, meinte Tini kopfschüttelnd. „Das gibt’s doch nicht! Habe ich eine Halluzination gehabt? Habe ich mit offenen Augen geschlafen und geträumt?“
„Was ist denn los mit dir?“, erkundigte sich Tina besorgt.
„Ach, nichts. Ich... ach, ich hab mir da wohl was eingebildet.“
„Na, wenn es hier nicht spukt, wo dann! Das ist doch der ideale Ort für Gespenster!“, sagte Tobbi lachend. „Der Boden ist mit Blut getränkt! Vielleicht gibt’s hier sogar Vampire?“
„Trotzdem, es ist doch merkwürdig, dass. ..“ Tini brach ab und legte nachdenklich die Stirn in Falten. „Na ja, vielleicht komme ich noch dahinter.“
„He, Mutti und Vati sind schon weitergegangen! Beeilt euch, sonst verlieren wir sie noch in diesem Menschengewimmel!“, sagte Tina besorgt.
„Keine Angst, sie haben sich der deutschen Reisegruppe angeschlossen um etwas von dem Vortrag des Reiseführers mitzubekommen. Sie gehen zum White Tower hinüber“, beruhigte Tobbi sie. „Wir können uns hier ruhig noch ein bisschen umschauen. Pst, hört mal — was ist denn das? Ein Chor?“
„Hört sich an, als lerne jemand ein Rolle auswendig“, meinte Tina.
„Ich weiß nicht, mich erinnert es eher an die Schule. Kommt, wir sehen mal nach.“ Tobbi lief den Mädchen voraus den Stimmern nach. Es handelte sich um eine harte, ältere, die in gleichmäßigem Singsang einen spanischen Text vortrug, und zwei hellen jungen Stimmen, die die Worte in dem gleichen, nur ein wenig gelangweilteren Singsang wiederholten. „Das hier muss die Stelle sein, an der sich früher die Halle befand, wo man der armen Anna Boleyn den Prozess machte“, erklärte Tobbi . „He! Donnerwetter! Ja, Zucker!“, entfuhr es ihm plötzlich.
Tina und Tini tauchten neben ihm auf und schauten interessiert in die Richtung, in die Tobbi so gebannt starrte. Er hatte einen Gesichtsausdruck, als hätte er inmitten des grauen Gemäuers einen nagelneuen Ferrari Formel 1 entdeckt.
„Och, Mädchen“, sagte Tina gelangweilt. „Zwillinge“, fugte Tini hinzu. „So was ist mir schon öfter begegnet.“
„Aber was für welche!“ Tobbis Augen bekamen einen feuchten Glanz. „Habt ihr schon mal so was Süßes gesehen?“
„Hübsch sind sie ja“, gab Tina zögernd zu. „Die großen schwarzen Augen und die schönen, langen schwarzen Haare — aber wie die angezogen sind! Weiße Spitzenkleider, hochgeschlossen und mit langen Ärmeln. Und weiße Strohhüte. Die sehen ja aus wie ‘ne Waschmittel-Reklame.“
„Schneewittchen doppelt“, lästerte Tini. „Und die böse Stiefmutter haben sie auch gleich dabei.“
Die ältere Dame, die die beiden Mädchen begleitete, sah wirklich wie die böse Stiefmutter aus dem Märchen aus. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, trug das Haar streng in der Mitte gescheitelt und am Hinterkopf zu einem festen Knoten aufgesteckt und ihre Lippen bildeten zwei schmale, gerade Striche in dem hageren Gesicht. Ihr Kopf erinnerte ein wenig an den einer Schildkröte, besonders wenn sie ihn ruckartig von einer in die andere Richtung bewegte. Ihren Augen schien nichts zu entgehen, sie waren ständig in Bewegung.
„Reg dich ab, Tobbi , gegen die Alte hast du keine Chance, mit deinen Engeln da drüben anzubandeln“, flüsterte Tina. „Komm lieber weiter, sonst verlieren wir Vati und Mutti wirklich noch!“
Tobbi hatte sich zu seiner vollen Größe aufgerichtet und warf den fremden Mädchen das zu, was er für einen feurigen Blick hielt. Die Zwillinge schauten zu Boden, als suchten sie dort etwas, aber schließlich sah eine von beiden auf und ihr Blick streifte wie zufällig Tobbi und die beiden Freundinnen. Ein schüchternes Lächeln traf Tobbi , aber die alte Dame hatte es sofort bemerkt. Sie stieß zwei-, dreimal hart
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