Tina und Tini 10 - Tina und Tini und die spanischen Zwillinge
Vermutlich sollten sie auf ihre Linie achten.
Die Mädchen warteten höflich, bis die Señora zu Messer und Gabel griff und den ersten Bissen zum Mund führte, dann wagten auch sie zu essen.
„Ist das Ihre erste Reise nach England?“, erkundigte sich Herr Greiling .
„Für die Mädchen, ja. Ich selbst habe England schon besucht, mehrere Male. Wir waren eine Woche in London, ebenfalls in Stratford on Avon und in Canterbury. Die Kathedrale ist ganz außerordentlich.“
„Das muss für die Mädchen ja sehr aufregend sein. Vermutlich ist es ihre erste große Reise?“
„O nein“, sagte die Señora und machte ein erstauntes Gesicht. „Wir reisen jedes Jahr und beschäftigen uns mit der Geschichte des Landes. Im letzten Jahr waren wir in Ihrer schönen Heimat. Vorher in Italien, Griechenland und Frankreich.“
„Donnerwetter“, sagte Tina anerkennend zu Maria. „Da habt ihr ja schon viel von der Welt gesehen.“
„Es ist sehr gut für unsere Sprachstudien“, antwortete Maria steif. „Bevorzugst du den barocken oder den gotischen Stil? Ich liebe die Formen der Gotik!“
„Ähm, darüber habe ich mir wirklich noch nie Gedanken gemacht“, gestand Tina beschämt. „Ich glaube, ich mag beides.“
„Die Fenster des Freiburger Münster haben mich besonders — wie sagt man — beeindruckend.“
„Ah ja...“
Tina wurde es unbehaglich zumute. Mit so einer Bildungskanone konnte sie es nicht aufnehmen. Ihr machte es zwar auch Spaß, Kirchen, Schlösser und Museen anzuschauen, aber sie hätte sich mit ihren spanischen Tischgenossinnen viel lieber über ihre Hobbys oder über die Schule unterhalten.
„Die Kinder können doch die Nachmittage gemeinsam verbringen“, schlug Frau Greiling vor. „Ich kann mir vorstellen, dass sie viel Spaß miteinander haben werden.“
„Nun, wir sind nicht zum Vergnügen hier“, kritisierte die Señora den Vorschlag. „Aber ich lade Ihre beiden jungen Damen ein, jeden Nachmittag eine Stunde mit Maria und Isabella zu verbringen um zu plaudern, wenn es Ihnen recht ist.“
„Selbstverständlich.“
„Ich weiß, wie man sie unterscheiden kann!“, platzte Tobbi plötzlich heraus. „Isabella hat Grübchen, wenn sie lächelt!“
Die Señora warf Tobbi einen Blick zu, der ihn augenblicklich in einen Eiszapfen hätte verwandeln müssen, wenn Tobbi sich davon hätte beeindrucken lassen. Zum Glück war er in dieser Hinsicht vollkommen unempfindlich.
Isabella war rosig erglüht wie ein reifer Pfirsich und senkte ihren Kopf so tief auf den Teller, dass die Haare ihr Gesicht seitlich wie ein Vorhang verdeckten. Die Señora schaute abwechselnd auf Tobbi und auf seine Eltern. Sie erwartete wohl eine strenge Rüge. Diese nordeuropäische Erziehung hatte doch nichts als einen völligen Verfall der guten Sitten zur Folge!
„Wie wäre es, wenn ihr Mädchen euch morgen Nachmittag zu einer gemütlichen Teestunde auf Deck treffen würdet?“, versuchte Frau Greiling die Situation zu retten. „Ich lade euch zu Eis und Kuchen ein. Sagen wir um vier Uhr? Dann könnt ihr euch ein bisschen kennen lernen.“
Die spanischen Zwillinge schauten ihre gestrenge Erzieherin fragend an.
„Nun gut, morgen Nachmittag. Bedankt euch für die Einladung, Kinder.“
„Herzlichen Dank für die freundliche Einladung! Wir freuen uns sehr, zu kommen!“, beeilten sich Maria und Isabella zu sagen.
Die Señora klatschte einmal kurz und energisch in die Hände. Die Zwillinge kannten das Signal offensichtlich, denn sie erhoben sich sofort und sagten höflich gute Nacht. Dann verließen sie mit ihrer Bewacherin den Speisesaal.
„Puh!“, machte Tini. „Da kriegt man ja Beklemmungen. Glaubt ihr, die können sich überhaupt normal benehmen — ich meine, wenn die Alte nicht in der Nähe ist.“
„Das bezweifle ich“, meinte Tobbi . „Die sind doch total unselbständig. Die wirken, als kämen sie direkt aus dem Kloster.“
„Aber sehr gebildet“, wandte Frau Greiling ein. „In der Beziehung sind sie euch vermutlich weit überlegen.“
„Kunststück, wenn du so gedrillt wirst! Was bleibt ihnen denn anderes übrig? Sicher sind sie im Sport absolute Nieten. Wahrscheinlich können sie nicht mal schwimmen!“, ereiferte sich Tina. „Die können einem wirklich nur Leid tun .“
„Hoffentlich kommt morgen die Alte nicht mit und passt auf. Sonst ist der Nachmittag von Anfang an zum Scheitern verurteilt“, seufzte Tini.
Was das Schwimmen anbetraf, so hatte Tina Unrecht. Am nächsten Vormittag
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