Tine
ihrer Agentur wie jedes Jahr unter allen Mitbewerbern einen der obersten Plätze belegt und wurde für ihre erfolgreichen Abschlüsse mit einer Gratisreise belohnt.
»Ich selber kann nicht. Zu viele Termine in der nächsten Woche. Aber die Reise verfallen zu lassen, wäre auch schade. Es geht in die Region von Lyon. Ins Anbaugebiet des Beaujolais. Eine Woche inklusive Anreise und Vollverpflegung. Der einzige Haken an der Sache ist, dass sich einer von euch als Franka Carstensen ausgeben muss.«
Jette winkt gleich ab. Sie hat kein Interesse, unter falschem Namen Urlaub zu machen. Das wundert mich nicht, denn sie war schon als Kind ein feiger Angsthase. Ich überlege nicht lange. Das Wort Gratis hat mich sofort überzeugt.
»Ich bin dabei. Château de lecker Rotwein...ich komme.«
Die Vorfreude auf einen exklusiven Schlemmerurlaub im Sternehotel in Mitten von Weinbergen lässt meine Stimmung steigen. Im Internet habe ich recherchiert. Das Wetter in der Region wird auch für Anfang September noch mit sonnig und warm beschrieben. Die Châteaus zwischen Mâcon und Lyon sind kleine Schlösser wie aus dem Bilderbuch. Wohin genau meine Reise mich führt, werde ich morgen früh erfahren, wenn sich die Teilnehmer am Hamburger ZOB treffen.
Villefranche, südlich von Burgund
Ich trage meinen kurzen Trench und am Revers ist das Namensschild Franka Carstensen – CC Finanz Consulting angebracht. Meine Reiseunterlagen habe ich in meinem neuen Koffertrolley untergebracht, den ich mir vor der Abreise noch gegönnt habe. Vermutlich sind die fünf Anzugträger meine Mitreisenden. Versicherungs Fuzzis wie Jette und ich die arroganten Männer aus Frankas Branche abfällig nennen. Sie sehen genauso müde aus wie ich. Kein Wunder, denn es ist fünf Uhr morgens. Der Reiseleiter stellt sich als Marco vor. Er begleitet uns nur bis Frankfurt. Dort steigen die restlichen Seminarteilnehmer zu und er wird uns dem Busfahrer überlassen, der uns gegen Abend sicher ans Ziel bringen wird.
»Seminarteilnehmer?«, frage ich den Mann, der gleich neben mir Platz nimmt, obwohl der kleine Reisebus noch zehn freie Doppelplätze bietet.
»Gott sei Dank keine endlosen Kurse über Powerselling. Die kann ich schon im Schlaf mitsingen.«
»Das ist eine Schulungsreise?«, frage ich erstaunt.
»Keine Sorge. Der Spaß wird nicht zu kurz kommen. Ich bin Gernot Schäfer von SeKa Capital. Ich finde wir sollten du sagen. Also auf eine gute Woche.«
Ich glaube ich bin im falschen Bus. Aber der Blick auf Gernots Reiseunterlagen zeigt mir, dass sie mit meinen identisch sind. Ich greife mein Handy aus der Tasche, um Franka anzurufen. Natürlich werde ich meine Freundin zu dieser frühen Stunde wecken und ihr den Marsch blasen. Was denkt sie sich nur, mich auf ein Seminar zu schicken.
»Du hast dein Handy dabei? Na, du traust dich ja was. Lass dich bloß nicht erwischen. Aber keine Angst. Ich sag nix.«
»Wie? Erwischen? Wobei?«
»Na, auf diesen Workshops sind Computer, Tablet und Handy tabu. Sag bloß, das hast du nicht gewusst?«
Ich weiß nur eins. Bei der nächsten Haltemöglichkeit wird der Bus stoppen und der Fahrer wird mir meinen neuen Koffer zurückgeben. Dann fahre ich auf direktem Weg nach Hause. Ich bitte Marco, an der nächsten Raststätte anhalten zu lassen.
»Schwache Blase, Franka? Oder hast du einen Schmachter? Sorry, aber Rauchen ist im Bus nicht gestattet. Du wirst dich schon bis Göttingen im Griff haben müssen. Vorher ist ein Halt nur im Notfall vorgesehen.«
Oder ob ich ein Notfall bin, will er wissen und ich setze mich wütend auf meinen Platz zurück. Fred und Andreas, die in der Reihe vor mir sitzen, fragen mich, ob ich Cola oder Kaffee möchte. Die SeKa Jungs sind bestens ausgestattet. Ich habe die Wahl zwischen Cola Whiskey, Kaffee Cognac oder pur.
»Kaffee pur, bitte.«
Meine Antwort löst ein allgemeines Lachen aus.
»Pur gibt es nur Whiskey oder Cognac.«
»Dann den Kaffee mit Schuss.«
Bis Göttingen habe ich bereits drei Becher Kaffee Spezial intus und renne im Laufschritt zu den Toiletten. Die SeKa Manager pinkeln in den angrenzenden Wald und nutzen die eingesparte Zeit für eine Zigarettenpause. Wie ekelig. Wenn ich etwas gar nicht leiden kann, dann sind es frei pinkelnden Männer. Ich lasse meinem Unmut freien Lauf und verpasse deshalb den Augenblick, mir mein Gepäck geben zu lassen. Der Fahrer hat bereits den Motor angelassen und Marco scheucht
Weitere Kostenlose Bücher