Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
Vom Netzwerk:
Caroline war einfach weitergegangen und befand sich schon beinahe bei der Albertina. Sie wechselten eben die Straßenseite und schickten sich an, in der Seitengasse zu verschwinden. Bronstein hetzte ihnen nach, überquerte die Augustinerstraße und wäre beinahe in einen Fiaker gelaufen. „Öha, Hirnschüssler!“, rief der Kutscher empört. „Pass doch auf, wost hinrennst!“ Bronstein achtete nicht auf den Mann, sondern bemühte sich, wieder Anschluss an die Gruppe zu finden. An der nächsten Quergasse blickte er nach rechts und sah sie auf den Donnerbrunnen zuhalten. Ein paar schnelle Schritte noch, und er hatte sie endlich eingeholt.
    „Da sind S’ ja wieder, Herr von Bronstein“, lächelte ihn Marie Caroline an, „wo waren S’ denn?“
    „Polizeiroutine“, gab er knapp zurück.
    Segur und Rohan betraten das Hotel von der Seite des Neuen Marktes her, wo ihnen ein livrierter Diener mit tiefer Verbeugung die Tür aufhielt. Ohne Umschweife hielten sie auf den Restauranttrakt zu, wo sie von einem weiteren Bediensteten in Empfang genommen wurden. Auch dieser übte sich in der Kunst der Verbeugung: „Der Herr Prinz und der Herr Graf geben uns wieder einmal die Ehre. Welch eine Freude für unser Haus! Den üblichen Tisch, die Herrschaften?“
    „Wir sind zu sechst“, begann Rohan.
    „Zu siebent“, besserte ihn Segur aus.
    „Zu siebent also“, knurrte Rohan. „Geht sich das aus?“
    „Wir werden selbstverständlich einen Tisch hinzufügen. Wenn Sie sich einen kleinen Moment gedulden wollen? Vielleicht legen die Herrschaften in der Zwischenzeit ab.“ Ein Pikkolo begleitete sie zur Garderobe, wo ein junges, aber unscheinbares Mädchen die Mäntel in Empfang nahm. Bronstein gab seinen Borsalino ab und kam dabei direkt neben Rohan zu stehen. Er zog den Zweikronenschein aus seiner Tasche und reichte ihn der Garderobenfrau. „Für Ihre Mühewaltung“, sagte er und wusste, dass er eben ein obszön hohes Trinkgeld für eine solche Dienstleistung gegeben hatte. Er drehte den Kopf seitwärts und wartete auf Rohans Reaktion. „Das ist von uns allen“, erklärte der und schickte Bronstein einen wütenden Blick. Der aber grinste nur.
    In der Zwischenzeit war der Tisch hergerichtet worden. Segur nahm neben der Harrach, Rohan an der Seite der Hardegg Platz, neben die sich auch die Clary-Aldringen setzte, sodass für Marie Caroline und Bronstein die beiden Kopfseiten des Tisches blieben. Wenigstens hatten sie, so sagte sich Bronstein, Blickkontakt. Als es an die Bestellung ging, hielt er an seinem Tafelspitz fest, einer Order, der sich Marie Caroline anschloss. Die anderen wählten in Rindsuppe gekochtes Ochsenbeinfleisch, wobei sie aber in der Auswahl der Beilagen voneinander abwichen. Dazu verlangte man nach leichtem Landwein. Bronstein wusste, er hatte nicht die geringste Chance, für diese Konsumation die nötige Summe aufzutreiben, und umso mehr hoffte er, die Sache würde sich gütlich regeln.
    Die Tischgespräche begannen ihn bald zu langweilen. Nun zeigte sich, was junge Adelige wirklich beschäftigte, und das war völlig außerhalb seiner Welt. Er ließ sich einfach die Gerichte schmecken, genoss jeden einzelnen Bissen und schickte immer wieder einmal einen aufmunternden Blick in Richtung Marie Caroline, die diesen stets mit einem leichten Lächeln beantwortete.
    Gute zwei Stunden später ließ sich die Runde das Mehlspeisenbuffet zeigen, für welches das „Meissl & Schadn“ mindestens ebenso berühmt war wie für seine Rindergerichte. Bronstein entschied sich für eine Schwarzwälder Kirsch, dazu nahm er wie alle anderen Kaffee. Und als Segur und Rohan nach einer Zigarre verlangten, schloss er sich diesem Wunsch an. In 150 Minuten hatte er beinahe ein ganzes Monatsgehalt verprasst, und so war er wohl der Einzige am Tisch, dem es entschieden zu heiß war. Gern hätte er seine Weste abgelegt, doch wusste er nur zu genau, dass dies als höchst unhöflich galt und ihn als einen wahren Rüpel kenntlich gemacht hätte. Also schwitzte er still weiter und hoffte dabei, dass dieser Umstand den anderen nicht auffiel.
    Als die Zigarre endgültig zu Asche geworden war, holte Bronstein verstohlen seine Uhr hervor und entnahm der Stellung der Zeiger, dass es bereits 15 Uhr war. In einer Stunde musste er wieder auf dem Kommissariat sein. Die peinliche Frage nach der Begleichung der Rechnung ließ sich kaum noch länger aufschieben. Er nützte eine kurze Gesprächspause und meldete sich zu Wort.
    „Sehr geehrte

Weitere Kostenlose Bücher