Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
Vom Netzwerk:
Bronstein herzlich, und seine Eltern fielen in sein Lachen ein.
    Nachdem Bronstein auch noch in allen Details geschildert hatte, wie seine Begegnung mit der Mordkommission verlaufen war, musste er, einen Blick auf die Uhr gerichtet, seine Eltern auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten. Beide Seiten waren sich einig, dass Bronsteins Avancement mit einem gehörigen Abendessen zelebriert werden musste, doch hatte dieses vorerst einmal zurückgestellt zu werden. Bronstein versprach, sich am Wochenende zu melden, und verabschiedete sich sodann in Richtung Kommissariat.
    Dort freilich wartete man schon ungeduldig auf ihn. Der Postenkommandant blickte ihn feixend an: „Na, Herr Oberkommissär, wie war’s am Schafott?“
    Bronstein zwang sich, kühl zu bleiben. „Falls Sie meinen, ob ich noch länger in Ihren Diensten stehe, so kann ich diese Frage getrost verneinen. Heute ist mein letzter Tag hier.“
    Bronsteins Vorgesetzter setzte zu einer Triumphpose an. „Weißt, Bronstein, ich hab immer g’wusst, aus dir wird kein guter Polizist. Und glaub mir, es ist besser so. Vielleicht kannst ja anderswo was leisten. Bei der Post oder bei der Bahn …“
    „… oder im Agenteninstitut bei der Abteilung Leib und Leben.“
    Der Kommandant blickte sich nach diesen Worten Bronsteins im Wachzimmer belustigt um. „Habt ihr das gehört? Jetzt ist er endgültig größenwahnsinnig geworden, der Bronstein. Hat wohl seinen Rauswurf nicht verkraftet …“
    Bronstein schob dem Vorgesetzten seine Aktenmappe hin. „Schauen S’ selber, die Bestallungsurkunde liegt obenauf.“
    Schweigendes Entsetzen war die Reaktion am anderen Ende des Tisches. Der Kommandant traute seinen Augen nicht. „Aber wieso …“, stammelte er, „ich hab doch …“
    Bronstein nahm seine Unterlagen wieder an sich: „Glauben S’ mir, das nehm ich Ihnen ung’schaut ab. Aber oft kommt’s eben anders.“ In seinem Lächeln lag eine kleine Spur Überheblichkeit. „Der Herr Hofrat Nechyba hat mich übrigens auf den Fall Mészáros angesetzt. Um den soll ich mich kümmern. Na, klingelt es da bei Ihnen?“
    Bronsteins Gegenüber blieb der Mund offen.
    „Ich denke“, fuhr Bronstein fort, „es ist für beide Seiten das Beste, wenn wir unsere Zusammenarbeit nicht bis zur letzten Minute ausreizen. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, werde ich einfach meinen Schreibtisch räumen und mich von den Kollegen verabschieden. Und das war’s dann.“
    Ohne eine Reaktion abzuwarten, verließ er den Raum und ging zu seinem Büro, wo er, wie erwartet, Lang antraf. Auch diesen setzte er von den jüngsten Entwicklungen in Kenntnis.
    „Das hätt ich mir jetzt aber nicht gedacht“, sagte der endlich, „aber ich vergönn es dir von Herzen. Du hast es dir verdient.“ Lang erhob sich und reichte Bronstein die Hand. „Es war mir eine Ehre, mit dir zusammenzuarbeiten. Ich wünsch dir viel Glück.“
    „Dank dir recht.“
    Bronstein ließ sich auf seinen Sessel plumpsen. „Ich glaub, ich muss das alles erst einmal verdauen.“ Und für eine kleine Weile schweiften Bronsteins Gedanken in sentimentale Gefilde ab. Doch schnell hatte er sich wieder im Griff. Es galt, an die Zukunft zu denken. Apropos Zukunft. Marie Caroline!
    Endlich fand Bronstein wieder die Zeit, an sein Privatleben zu denken. Die Dame wollte also, so erinnerte er sich, ins Cabaret. Gute Güte, wie lange war das her, dass er ein solches Etablissement aufgesucht hatte. Er wusste nicht einmal, welche Bühnen es derzeit überhaupt gab. Spontan fiel ihm nur die „Fledermaus“ in der Kärntner Straße ein, die vor einigen Jahren ganz im Sinn des neuen Jugendstils von der Wiener Werkstätte eingerichtet worden war. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie ihn das Interieur der Lokalität verblüfft hatte, doch war dies kaum verwunderlich, da hier beinahe alle Größen der Kunstszene zusammengearbeitet hatten. Einem Zeitungsbericht war damals zu entnehmen gewesen, dass Josef Hoffmann für die Gesamtplanung verantwortlich zeichnete, während Kolo Moser die Möbel und Gustav Klimt die Malereien beigesteuert hatten. Die „Fledermaus“ hatte dann auch einen fulminanten Start hingelegt und war monatelang ausverkauft gewesen. Bronstein erinnerte sich noch gut daran, dass er erst für die kommende Saison einen Platz ergattert hatte. Dies hatte sich im Nachhinein als ein wahrer Segen entpuppt, denn just da war die „Fledermaus“ unter eine neue künstlerische Leitung gestellt worden. Egon Friedell, der begnadete

Weitere Kostenlose Bücher