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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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oder stellst du dich nur so?“
    „Ha?“
    „Na, du glaubst doch nicht im Ernst, dass der Mann sich jetzt nach Hause chauffieren lässt! Wenn ich mich eben in den Besitz einer solch hohen Summe gebracht habe, dann fahre ich ein bissel durch die Gegend, steig dann aus und nehme einen anderen Wagen, der mich in eine ganz andere Richtung fährt. Oder ich lasse mich zu einem Durchgang führen und verschwinde dann über irgendwelche Schleichwege. Jedenfalls bin ich keinesfalls so blöd und lege irgendeine Spur, durch die man mich verfolgen kann.“
    Pokorny bemühte sich um eine betretene Miene. „Da hast wahrscheinlich recht“, murmelte er.
    „Und wie auch noch“, setzte Bronstein nach. „Wir brauchen am Revier gar nicht mehr anzutreten, das sag ich dir. Die reißen uns dort den Schädel ab. Und das mit Recht. Hörst du, wir haben auf der ganzen Linie versagt. Aber so etwas von vollständig, davon reden die in hundert Jahren noch! Das gibt ein Disziplinar. Und was für eines auch noch! Jetzt sind wir endgültig am Allerwertesten! Du wirst Postenkommandant irgendwo in Bosnien, wo es außer fanatischen Habsburghassern nur Fladenbrot und Zwetschkenschnaps gibt, und mich sargen s’ für die nächsten zehn Jahr’ in der Justizwache ein. Stein wahrscheinlich, oder Karlau.“ Bronstein vergrub sein Gesicht in seinen Händen und fluchte abermals.
    „Aber eigentlich“, fuhr Pokorny zögerlich fort, „brauch ma da jetzt nimmer herumsitzen, oder?“
    Nur mit Mühe unterdrückte Bronstein einen Schrei. Er richtete sich kerzengerade auf und atmete langsam aus und ein. Dann drehte er sich zu Pokorny: „Hast du es immer noch nicht kapiert? Wir sind ruiniert! Dass der Kerl uns entwischt ist, das ist unser endgültiges berufliches Todesurteil! Was schert mich da, ob ich hier noch warten soll oder nicht!“
    „Na ja, es is Samstag“, maulte Pokorny.
    Gegen seinen Willen musste Bronstein lachen. Pokorny war dermaßen borniert, dass es kein Wunder war, wie es um die Monarchie bestellt war. Denn der Pokornys gab es sicher viele an allen Ecken und Enden des Vielvölkerreiches. Da entkam ihnen wahrscheinlich ein Spion allerersten Ranges, der vermutlich für die horrende Summe, die man ihm überwiesen hatte, militärische Geheimnisse von höchster Bedeutung verraten hatte, wodurch die Zukunft des Vaterlandes in größte Gefahr geriet, und der Herr Pokorny dachte nur an sein Wochenende! Mit einer derartigen Einfältigkeit war man ja beinahe schon wieder gesegnet. Bei den Wilden würde man Pokorny vermutlich als Heiligen verehren.
    Bronstein war nach einem Schnaps. Genauer nach mehreren Schnäpsen. Nach einer ganzen Flasche. Ja, das war passend, denn wie Flaschen hatten sie sich eben benommen. So ein Anfängerfehler unterlief vermutlich nicht einmal einem Polizeischüler aus der Marokkanerkaserne. Er war schon gespannt, wie er diese neuerliche Niederlage seinen Eltern beibringen würde!
    Doch nein, er hatte nicht unter schier unerträglichen Bedingungen sein Studium beendet und sich danach volle sechs Jahre mit äußerster Hingabe dem Polizeidienst gewidmet, um jetzt wegen eines einzigen Fehlers – denn die Mészáros-Sache war für ihn nach wie vor keiner, da hatte er ohne Zweifel den richtigen Riecher gehabt – für immer ein Ausgestoßener zu werden! Marie Caroline würde ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, das stand einmal fest. Und eine andere würde niemals an ihre Stelle treten, denn wer gab sich schon mit einer lebendigen Leiche ab? Vielleicht fand er irgendeine verhutzelte Alte mit 14 Rangen am Hals, welcher der Mann weggestorben war und die jeden nahm, der ihrer Kinderschar Ernährer sein konnte. Aber von den schönen Maiden dieser Welt würde er sich verabschieden müssen. Wie auch von irgendwelchen rosigen Zukunftsaussichten. Statt Souper im „Meissl & Schadn“ hieß es dann Abendbrot beim Kirchenwirt in Suben. Und wenn er nicht durch enormes Glück einen zum Tod verurteilten Schwerverbrecher erfolgreich an einem Ausbruchsversuch hinderte, dann gab es für David Bronstein niemals mehr die Chance zur Rehabilitierung. Er würde in der hintersten Provinz verfaulen und völlig verkommen. Und dieses trostlose Schicksal würde er nur verhindern, wenn ihm jetzt rasch eine Möglichkeit einfiel, sein und Pokornys Versagen plausibel wegzudisputieren.
    Es musste eine Lösung geben! Vielleicht gelang es, den Fahrer auszuforschen, ohne sich der offiziellen Dienststellen zu bedienen. Dann mochte man vielleicht mit ihm zu

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