Tinnitus - Endlich Ruhe im Ohr
das Ohrgeräusch wird im Prinzip durch vier grundlegende Therapieelemente erreicht:
Beratung und Aufklärung
Abschwächung tinnitusbedingter Stressreaktionen
Psychologische Beratung und evtl. Behandlung
Geräteversorgung (Hörgeräte und/oder Tinnitusmasker, s. → S. 99 )
Folgendes Beispiel soll das Prinzip des Retrainings veranschaulichen: Ein deutscher Auswanderer wird in den USA seine Muttersprache nach einer gewissen Zeit verlernen, wenn er sie überhaupt nicht mehr benutzt. Spricht er weiterhin Deutsch oder interessiert er sich beispielsweise für deutsche Literatur, wird er weiterhin die Sprache beherrschen. Ebenso ist Retraining kein mehr oder weniger aktives Umtrainieren, sondern ein sich »von selbst« ergebendes Vergessen, die Geräusche wahrzunehmen.
Physiologische Grundlagen der Retraining-Therapie
Tinnitus wird dann zur Krankheit und wahrnehmbar, wenn die hemmenden Systeme im Gehirn geschädigt sind und nicht mehr effektiv funktionieren. Während normalerweise durch diese akustischen »Filter« die körpereigenen Geräusche (Schluckgeräusche, Strömungsgeräusche des Blutes etc.) für uns nicht wahrnehmbar sind, kann es im pathologischen Fall durch eine Störung dieser Filter zur Wahrnehmung der unterschiedlichsten Geräusche kommen. Es ist normal, dass solche »falschen« Geräusche als störend empfunden werden. Unsere dadurch gestörte Gefühlswelt und Stress verstärken den negativen Charakter des Höreindruckes, und die Krankheit »Tinnitus« bricht aus.
Der therapeutische Ansatz, der aus diesen Vorstellungen resultiert, ist die Desensibilisierung (Retraining) dieser zentralen Vorgänge: Es wird versucht, die gestörte Filterfunktion unseres Hörsystems wiederherzustellen und unsere akustische Wahrnehmung von den Störgeräuschen abzukoppeln. Dieses Training führt dazu, dass der Tinnitus als nicht mehr störend empfunden wird, und in vielen Fällen wird erreicht, dass er überhaupt nicht mehr wahrgenommen wird.
WICHTIG
Tinnitus ist eine zentrale Verarbeitungsstörung von Höreindrücken, die in unterschiedlichster Weise mit negativen Gedanken und Impulsen aus dem Limbischen System, unserem seelischen Zentrum im Gehirn, verknüpft sein können.
Ablauf der Retraining-Therapie
Entsprechend der Belastung durch das Ohrgeräusch kommen verschiedene Maßnahmen strukturiert zum Einsatz. Begleitet wird dieses strukturierte Vorgehen mithilfe einer Betreuung durch die Tinnitusliga.
Zunächst ist immer eine medizinische Diagnostik durch HNO-Arzt und audiologisch notwendig; wenn notwendig, erfolgen weitere klärende Untersuchungen durch andere Fachärzte (Orthopäden, Neurologen, Fachärzte für Innere Medizin).
Für den Einsatz in der alltäglichen Praxis und zur »Selbstbeurteilung« hat sich auch die bereits erwähnte Gradeinteilung bewährt, die zu weiteren Maßnahmen führt:
Grad 1 (Ohrgeräusch sehr leise, nur bei Konzentration darauf wahrgenommen): Das erste beratende Gespräch reicht in diesem Falle meist aus. Als Betroffener wissen Sie jetzt, dass es sich nicht um eine Krankheit handelt und Sie haben in der Beratung erfahren, wie Sie mit dem Geräusch umgehen können, um es aus Ihrer Wahrnehmung zu verbannen.
Grad 2 (Ohrgeräusch stört in Ruhe, fällt auf bei Stress, Sorgen; Betroffene kommt gut zurecht, Besserung erwünscht): Ihr Arzt wird Ihnen Informationen über medizinische Möglichkeiten, Gewöhnung, psychologische Diagnostik und weitere Therapiemaßnahmen im Rahmen eines ausführlichen Beratungs- und Informationsgespräches geben (Dauer ca. 2 Stunden). Die Geräteversorgung kann angesprochen werden. Dies kann im Einzelgespräch, durchaus aber auch in einer Gruppe erfolgen. Der psychologische Partner und der Hörgeräteakustiker des Teams können anwesend sein, um entsprechende Fragen direkt zu beantworten. Damit sind ca. 70% aller Tinnituspatienten auf einen guten Weg gebracht: Sie wissen über Ohrgeräusche und deren Verarbeitungsmöglichkeiten und weitere Therapiemöglichkeiten Bescheid.
Grad 3 (Ohrgeräusch stört ständig, kein unbeschwertes Leben möglich) und Grad 4 (Ohrgeräusch unerträglich, Arbeitsunfähigkeit, Panikattacken, Depressionen): Ihr Psychologe wird sich in ausführlichen Gesprächen mit dem Problem auseinandersetzen (Dauer 2 bis maximal 5 Stunden). Man versucht herauszufinden, warum der Betroffene unter seinem Tinnitus leidet und welche Faktoren ihn von einer Habituation (Gewöhnung) abhalten. Danach muss zwingend die sog. Tinnituskonferenz stattfinden: Hierbei
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