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Tintorettos Engel

Titel: Tintorettos Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melania G. Mazzucco
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Verachtung.«Alles, was ich für dich getan habe, waren Perlen vor die Säue», warf ich ihm vor.«Und das, was ich für dich getan habe», erwiderte er rot im Gesicht,«hat das keinen Wert?»«Ich habe dir in jeder Hinsicht geholfen», sagte ich.«Obwohl es andere eher verdient hätten, habe ich für dich gebürgt, meinen
Kopf hingehalten.»«Ich bin schließlich dein Sohn», gab Zuane zurück,«außerdem hast du das nicht für mich, sondern nur für dich getan.»
    «Das ist also der Dank dafür», fauchte ich ihn an.«Mich in Verruf bringen. Und völlig egal ist es dir obendrein.»«Nein, offen gesagt, nein», erwiderte Zuane und warf den Koffer auf den Kahn.«Ich habe dich nicht darum gebeten, auf die Welt zu kommen. Das war dein Begehren.»«Wie willst du zurechtkommen?», fragte ich ihn.«Was wirst du tun, wenn du das letzte Bild verkauft hast? Du kannst doch nichts. Du bist doch gar nicht in der Lage, richtig zu arbeiten, du würdest umkommen, wenn du dir dein Geld in einer Ziegelbrennerei verdienen müsstest.»«Kein Problem», gab Giovanni lächelnd zurück.«Ich werde schon nicht elendig schuften müssen. Vielleicht suche ich mir bei irgendeinem Edelmann eine Anstellung und spiele Laute. Vielleicht tue ich aber auch einfach gar nichts. Es kommt, wie es kommt.»
    Musik war stets seine Leidenschaft gewesen. Als kleiner Junge hatte er sich meine Instrumente geborgt und sich an den Saiten der Laute die Fingernägel kaputtgerissen, wenn er dem geheimnisvollen universellen Klang folgte, den er meinte aus dem lärmenden Getöse der Welt heraushören zu können. Über Stunden hatte er Kalbssehnen aufeinander- oder mit Kellen auf Topfdeckeln herumgeschlagen und mit seinen seltsamen metallisch und völlig unharmonisch klingenden Tönen, die man in Venedig noch nicht gehört hatte, die ganze Familie verrückt gemacht. Er behauptete, Musik entspringe dem Lärm - wie die Schönheit dem Leid. Ich hielt seine Theorien für zu hoch gesteckt und seinen Eifer für falsch eingesetzt. Nie wäre er Komponist oder Kapellmeister geworden. Dazu fehlten ihm der Ehrgeiz und das Durchhaltevermögen. Und die Wut - jene unheimliche Kraft, die das Geheimnis eines jeden Erfolgs ist.
    Ich dachte zunächst, er wolle mir beweisen, dass ich ihm Unrecht getan habe, sein Talent zu unterdrücken, aber darum ging es
ihm nicht. Mit achtzehn Jahren, als er den Eindruck hatte, in der Werkstatt niemals einen eigenen Platz als Maler zu finden und immer nur an letzter Stelle hinter Dominico, Marco und Marietta zu stehen, nahm er sich vor zu studieren und ging nach Padua an die Universität. Ich machte ihm wegen dieser Fahnenflucht keinen Vorwurf. Seine Mutter war geradezu entzückt, hätte doch ein Akademiker ihre Wunschträume erfüllt:«Wenigstens aus einem Robusti», erklärte Faustina mit einem Lächeln,«wird eine ernst zu nehmende Person …»Doch die Jahre zogen erfolglos ins Land. Bis ich erfuhr, dass Giovanni das Lautespielen dem Studium der Rechtslehre vorzog. Zusammen mit drei Freunden von übelstem Ruf spielte er mal auf Empfängen eines vornehmen Kardinals, aber auch zu fragwürdigen Anlässen und auf Feierlichkeiten, über die man besser schwieg. Ich stellte ihn vor die Wahl: Universität oder Musik. Giovanni wählte weder das eine noch das andere, sondern kam nach Venedig in unser schönes Heim zurück. Es schien ihm nicht leid zu tun, das Studium aufgegeben und die Erwartungen seiner Eltern enttäuscht zu haben.«Es kommt, wie es kommt», bemerkte er nur. Und ging meinen anderen Kindern in der Werkstatt zur Hand. Viel brachte er jedoch nicht zustande. Er versuchte, so wenig wie möglich aufzufallen, übernahm lediglich die Aufgaben von geringem Anspruch: Wolken, Bäume, Felsen. Abends blieb er im Wohnzimmer sitzen und spielte gedankenverloren Laute, Viola oder Cembalo, ohne jemals ein Stück zu Ende zu bringen. Es war, als verflüchtigte sich die Musik zwischen seinen Fingern.
    «Ihr braucht euch nicht zu sorgen», sagte er und zuckte gleichgültig mit den Schultern,«auf irgendeine Weise werde ich schon leben.»Und genau das tat er. Auf irgendeine Weise . Sich immer nur anzunähern, das war seine Art gewesen. Nie hat Giovanni etwas anständig gemacht. Leidenschaftslos und ohne großen Einsatz beschränkte er sich darauf, seine Pflicht zu erfüllen. Selbst seine Flucht hat er so unternommen. Er ging auf irgendeine Weise
, ohne zu wissen, wohin und warum. Und zu früh, Herr. Mit erst zweiundzwanzig Jahren. In seinem Alter war ich

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