Tintorettos Engel
Verbündete. Sie wird im Kerker hoffentlich verrecken.»Der Name ging mir nie wieder aus dem Kopf.
Ich habe nicht aus Selbstsucht gehandelt, wenngleich mir das viele unterstellen, sondern in ihrem Interesse - zu ihrem Wohl. Einen besseren Ehemann als Marco Augusta hätte ich für sie nicht gefunden. Ich weiß doch, wie Männer sind.«Er sieht aus wie ein Zigeuner, durchaus ein hübscher Kerl», räumte Marietta ein.«Aber er ist so nichtssagend wie ein Schaf. Sterbenslangweilig.
Stell dir vor, während der Theatervorstellung hat er mir doch zu erklären versucht, dass der Lapislazuli ein mit Sternen gesprenkelter Stein ist, und angeboten, mir einige dieser afghanischen Steine zu beschaffen, damit ich mir für die Madonnengewänder ein Himmelblau anmischen könne. Er wollte doch tatsächlich Geschäftliches mit mir besprechen.»«Mit irgendetwas muss man ja anfangen, wenn man sich mit der Frau, die einem gefällt, unterhalten will, oder nicht?», hielt ich ihm zugute.«Aber ich will mit einem Mann doch nicht über Geschäfte reden», seufzte Marietta.
«Vielleicht hat er dir die Lapislazuli deswegen versprochen, um dir zu verstehen zu geben, dass er so eine Art Händler von Edelsteinen ist. Er importiert Juwelen und exportiert antikes Zeug, Medaillen, Schmuckstücke. Er verkehrt im Handelshof der deutschen Kaufleute, hat Verbindungen zu Paislander, Cimberger, Eisvogel, ist ein Freund von Otto, hat den Fuggern ein Diadem verkauft und die Gunst von Hans Jakob König gewonnen, der ihm Kunden zuführt - Prinzen, Grafen, Barone aus Deutschland. Er könnte dir einträgliche Geschäftsbeziehungen zu den Deutschen in Venedig eröffnen.»«Wo denkst du hin!», erwiderte sie lachend.«Er ist ein armer Hanswurst, außer deinem Onkel, diesem Gauner, verschwendet kein Mensch einen Gedanken an ihn, und die Perlen, Saphire und Smaragde gehören ihm auch nicht.»«Die afghanischen Lapislazuli kann er dir aber wirklich besorgen», ließ ich nicht locker,«dann könntest du tatsächlich so viele Madonnengewänder wie du willst im schönsten Himmelblau malen.»«Wenn ich afghanische Lapislazuli haben will», entgegnete sie,«dann besorg ich sie mir selbst.»
«Außerdem könnte ich mich niemals in ihn verlieben», fuhr sie fort.«Ich bin nämlich schon verliebt. Bis über beide Ohren. Ich fange an zu zittern, wenn er mit mir spricht. Bin todunglücklich, wenn er mich nicht beachtet. Mein Herz entflammt wie eine Feuersglut, wenn ich ihn nur leicht berühre. Und ich bedaure es, nicht hundert entbrannte Herzen für ihn zu haben, damit für
ihn nie wieder Winter wird. Ich sehe ihn selbst aus weiter Ferne. Er schwirrt durch all meine Gedanken und Träume. Wenn das keine Liebe ist, dann weiß ich nicht, was Liebe sein soll. Tag für Tag lebe ich einzig, um ihm Freude und Glück zu bereiten. Alles würde ich für ihn tun. Wenn er von mir verlangte, alles stehen und liegen zu lassen und fortzugehen, ich würde mich davonmachen. Wenn er wollte, dass ich mit einem anderen Mann gehe, ich ginge. Und wenn er mich nicht mehr mögen würde, wenn er mich aufforderte, aus seinem Blickfeld zu verschwinden, würde ich mein Kleid voll Steine packen und mich in die Lagune stürzen. Und trotzdem würde ich nicht aufhören, ihn zu lieben.»Für einen kurzen Moment, Herr, war ich vor Eifersucht am Boden zerstört.«Welcher Mann ist es, mein Funke?»Marietta legte ihren Zeigefinger auf die Lippen und schwieg.«Ist es Sánchez? Etwa dieser Sánchez?», brüllte ich fast.
Ich sah ihn wieder vor mir in der düsteren Ecke des Ateliers, mit glitzernden Fingerringen, Goldkette und glänzender Degenglocke. Er war ein stattlicher junger Mann von dreißig Jahren, frei und unabhängig, der darauf brannte, aus Venedig wegzukommen, da es ihm nicht gelungen war, hier Fuß zu fassen, und er als Kopist nur wenig Geld verdiente. Als Bruder eines talentierten Malers stand er seit seiner Geburt in dessen Schatten. Marietta verstand ihn, und er verstand sie. Er war unzufrieden und glaubte, sie sei es auch. Mit der Aussicht, sie nach Madrid zu bringen, hatte er sie verzaubert. Das war schon einmal passiert. Und wird immer wieder vorkommen. Alle, die davon träumen wegzugehen und auszubrechen, werden sich in sie verlieben, und sie wird sich in jeden verlieben, der vor ihren Augen ein anderes Leben auf blitzen lässt. Und sie wird mich hintergehen, sich ihm anbieten, dann wird sie es bereuen, sich verachten, mich um Vergebung anflehen, und ich werde ihr auf eine Art vergeben,
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