Tintorettos Engel
die weder meinen Groll noch ihre Scham stillt, und dann werde ich einen nach dem anderen fernhalten, und jedes Mal werden wir dabei etwas von uns
verlieren und immer ärmer werden. So werden wir weitermachen, bis jede Flamme gelöscht und nur noch Asche von uns übrig ist. Doch ich werde diesen Lauf unterbrechen. Bis zum Sommer wird sie Marco Steiner aus Augsburg heiraten.
Wir verließen die Fähre bei Santa Sofia. In der letzten Karnevalsnacht war es auf den Fondamenta und in den Gassen so brechend voll wie sonst zur Mittagszeit, alle Häuser waren hell erleuchtet - einige Feste gingen zu Ende, andere hatten gerade erst begonnen. Man sah ein wenig in die Jahre gekommene Paare in ihren auffälligen, lächerlichen Masken nach Hause zurückkehren, gegen Häuser urinierende Besoffene und junge Adelige, die sich in den Kanal übergaben und von nicht weniger Angetrunkenen begleitet wurden. Halbwüchsige beschimpften Passanten, um kleine Prügeleien anzuzetteln. Ich drehte mich um und suchte im Licht meiner Öllampe nach meinem Diener und meinen Söhnen.«Dominico! Marco!», rief ich, aber keiner antwortete - möglicherweise hatten sie nicht unsere Fähre genommen. Auf jeden Fall konnten wir sie nirgends sehen.
Ich hätte auf sie warten sollen. In der letzten Karnevalsnacht kippte oft die Stimmung, und nicht selten gab es Tote. Aber Marietta hakte mich unter. Ihr Parfüm verursachte mir Kopfschmerzen.«Wer ist es?», fragte ich nochmals, aber da sie nur lächelte, hatte ich plötzlich das Gefühl, von ihr auf den Arm genommen zu werden.«In wen hast du dich verliebt, mein Funke?»Sie schaute mich nur weiter vergnügt lächelnd an.«Du musst es mir sagen, damit ich ihn, falls er dich schlecht behandelt, meine Klinge spüren lassen kann.»«O nein, davon rate ich dir ab, das würdest du nicht überstehen», gab Marietta amüsiert zurück. Auch ich hatte an jenem Abend zu viel getrunken. Denn auch ich lachte und erwiderte, ihren Arm rüttelnd:«Du wirst dich doch nicht etwa in mich verliebt haben?»
Auf der Brücke über den Rio di Noale warf eine Horde junger Adliger Steine gegen das Fenster einer Kurtisane. Einige besonders übermütige lockerten mit ihrem Degen Steine aus dem Pflaster und schleuderten sie gegen die Fensterläden.«Schamlose Metze, heute Nacht machen wir dich reich, auch wenn dein schmutziges Loch schon so weit ist, dass man mit einer ganzen Gondel einfahren kann! Mach auf, du Hurenweib!», riefen sie. Aus der hellerleuchteten Wohnung waren Männerstimmen und Gelächter zu hören, aber die Tür blieb zu. In der engen Gasse gab es kein Durchkommen. Als die brünstigen Halunken auf uns aufmerksam wurden, stellten sie sich uns in den Weg und umzingelten uns. Einer wollte seinen mit Urin gefüllten Schuh über meinem Kopf ausleeren, und ich konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. Sie stachelten sich gegenseitig auf, wollten das Gesicht meiner Dame sehen.
«Nimm deine Maske ab», sagte einer und streckte den Arm nach ihr aus,«ich krieg noch Aussatz, wenn ich dir heute Nacht nicht den Kamin fege.»«He, he, du ungehobelter Lüstling!», fuhr ich ihn an,«ich stopf dir gleich dein loses Maul. Kratz dir den Schorf von der Zunge, wenn du mit einer Signora sprichst.»«Deinen Mund will ich dir aussaugen», meinte alsbald jener mit dem Schuh, und versuchte sie zu küssen,«ich will an deinen hübschen Haaren nuckeln.»«Du stinkst widerlich aus dem Maul», sagte Marietta und wich angeekelt zurück,«lasst uns in Frieden, ihr ehrlosen, unflätigen Schweine.»Es waren jedoch zu viele. Wir wurden sie nicht los. Am Ende rissen sie uns die Masken herunter. Als sie sahen, wie jung meine Begleitung war, stießen sie Pfiffe aus.«Du verdorbene, alte Sau», provozierte mich einer,«macht es dir noch immer Spaß, in See zu stechen?»«Versuch nicht, an der Räude eines alten Hundes herumzukratzen», forderte ich ihn heraus und drohte mit den Fäusten. Eine andere Waffe hatte ich nicht - weder Stock noch Dolch, nicht einmal eine Flasche, die ich ihm über den Kopf hauen konnte. Aber er war dermaßen
betrunken, dass er taumelte, als er dem Schlag auswich, und sich bei seinen Kumpanen abstützen musste.
Ein anderer stieß Marietta gegen ein Tor und zwickte ihr in die Brust.«Busen aus Wachs und Arsch aus Stahl, warum lässt du dir die Wolle von einem alten Zwerg schrubben? Lass dich von einem jungen Liebhaber rammeln, was gibt es Süßeres?»«Du Widerling!», rief sie, während sie versuchte, ihm die Hoden lang
Weitere Kostenlose Bücher