Tintorettos Engel
für mich findet!»«Inwiefern?», fragte Albert grinsend nach. Der Holländer hatte sich hervorragend in der Stadt eingelebt, sollte er aber keine venezianische Frau finden, würde er am Ende wieder in seine Heimat zurückkehren müssen. Ich sähe es allerdings gern, wenn er bliebe. Ich möchte, dass er weiterhin für sich und für uns malt, so wie immer. Dominico wird ihn brauchen, um die Werkstatt am Laufen zu halten, wenn ich ihm nicht mehr helfen kann.«Ich würde gern einen Adeligen heiraten», antwortete Laura unbedarft.«Wenn mich aber keiner von denen haben will, weil ich nicht reich genug bin, dann hätte ich gern einen Notar oder Anwalt oder besser noch einen Arzt zum Gemahl. Der könnte mich heilen, sodass ich niemals sterben müsste.»
«Warum nicht einen Maler?», erkundigte sich Aliense und strich sich über seinen spitzen Kinnbart.«Wenn sie Glück haben, verdienen Maler besser als Ärzte, und wenn sie dich malen, würdest du tatsächlich niemals sterben.»«Nun lüg mal nicht das Blaue vom Himmel herunter, Antonio», fiel ihm seine Frau ins Wort, die dicke Madonna Giulia, mit der er drei Kinder in die Welt gesetzt hat und die sich schon jetzt über ihr Schicksal grämt.
«Ärzte leben in unmittelbarer Nähe zu körperlichem Elend», erklärte Palma meiner Tochter in aller Güte,«zu Geschwülsten, Geschwüren, Wunden. Maler werden dagegen von Schönheit umringt, leben inmitten von harmonisch geformten Körpern, die vom Glück auserwählt wurden. Maler sind glückliche Menschen,
sie leben in Wonnen, haben keine großen Sorgen, müssen lediglich Bilder erschaffen, die den Menschen schmeicheln und sie aufmuntern, und wenn dir das nicht genügt - obschon das in Wahrheit alles ist, glaub mir -, dann stell dir einmal vor, dass Kaiser Karl V., Herrscher über ein Reich, in dem die Sonne nie untergeht, nun, als Tizian einmal beim Malen der Pinsel aus der Hand fiel, da hat sich doch tatsächlich Kaiser Karl V. gebückt und ihn aufgehoben. Maler können Graf und Vertraute der Könige werden, ein Land ohne Maler ist ein Land ohne Ruhm. Einen König findet man immer. Alle Länder haben einen. Ein Maler dagegen ist ein Geschenk. Um ihn zu erschaffen, braucht es Zeit und Wunder.»
«Maler denken nur ans Malen», entgegnete Laura verwirrt,«sie sind genauso wie Musiker, etwas anderes interessiert sie nicht, und nie weißt du, ob sie gerade bei dir oder in dieser Welt der Bilder sind, die nicht einmal existiert. Außerdem verkehren sie mit spärlich bekleideten Frauen, und hin und wieder bietet sich ihnen sogar die Gelegenheit, mit den Ehefrauen anderer Männer allein zu sein. Wie eine Leiche auf dem Seziertisch nehmen sie dich auseinander. Sie beuten jede Grimasse aus, die du schneidest, reißen die kleinste Regung an sich, um dich auf eine Leinwand zu bannen, auf die du gar nicht wolltest. Und letzten Endes kannst du einem Maler alles wegnehmen - Geld, Frau, Kinder, Familie, Haus -, solange du ihm einen Stift gibst, etwas Zeichenkohle, einen Pinsel, Farbschälchen und ein Stück Papier oder Leinen, ist er glücklich.»Ab und an hielt Laura inne und schluckte einen Bissen hinunter - ihre Worte verrieten eine tief verwurzelte Feindseligkeit. Ich fragte mich, ob sie mich in Wirklichkeit verachtete. Ich dachte sogar für einen kurzen Moment darüber nach, ob möglicherweise auch Faustina lieber einen Arzt oder Notar geheiratet hätte. Ob sie mich allein für das, was ich bin, verschmähte: einer, der sich die Hände mit Farben schmutzig macht, dem glühenden Stoff, aus dem die Träume sind.
Den ganzen Abend lang ließ Cesare unseren Juwelier nicht in Ruhe.«Venedigs Verlockungen müssen ja ganz schön reizvoll sein, dass du noch immer hier bist», stichelte er. Während wir zu Tisch saßen, erzählte er einige unschöne Witze über die Deutschen und meinte:«Was wollen all diese Landsknechte hier, die wie Raben und Mistkäfer über Venedig herfallen? Was haben sie in unseren Gassen zu suchen? Laut schwadronierend laufen sie in unseren Kirchen herum, plündern unsere Läden, unfähig, zwischen schnödem Schund und hoher Handwerkskunst zu unterscheiden, kaufen sich unsere Frauen und führen sich auf, als wären sie auf einem Tummelplatz, ohne sich bewusst zu machen, dass wir nicht zum Spaß hier sind, sondern weil wir hier leben und arbeiten.»
Vornehm wie er war, ging Marco Augusta nicht darauf ein. Er sagte lediglich, dass Ausländer Venedig besser lieben und wertschätzen könnten als die Venezianer selbst.
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