Tintorettos Engel
nicht über Geld rede. Er habe jedoch mein Versprechen - und mein Wort galt wie das eines Königs -, dass ich ihn in den Stand versetzen würde, das Geschäft All’Insegna della Virtù zu übernehmen. Er würde Gehilfen anstellen und sich selbstständig machen können. Der Schwiegersohn von Jacomo Robusti arbeite nicht in der Werkstatt eines anderen. Wenn er Marietta heirate, dann heirate er meinen Namen, meine Familie, meine Freunde und meinen Ruhm. Kurzum, ich würde ihm dabei helfen, sich eine Zukunft aufzubauen und ein angesehener Bürger dieser Stadt zu werden. Jedoch nur unter einer Bedingung. Im zweiten Stock meines Hauses gebe es eine geräumige Wohnung mit einem vortrefflichen Ausblick auf den Rio della Sensa: Bei klarem Himmel könne man in weiter Ferne das Festland und sogar die Berge sehen. Ich würde es auf meine Kosten einrichten lassen und ihnen zur Verfügung stellen. Er und Marietta müssten sich gemeinsam dort niederlassen.
Von meinem Vorschlag überrascht, dachte Marco Augusta ein paar Minuten darüber nach. Das Glockengeläut der nahe gelegenen Kirche San Polo dröhnte in meinem Kopf. Besorgt fragte ich mich, was passieren würde, wenn der Juwelier sich weigerte, unter meinem Dach zu leben.«Das wird er nicht akzeptieren», hatte Marietta gemeint, als ich ihr erläuterte, welche Bedingungen ich dem Verlobten auferlegen werde.«Ein Mann, der bereit ist, wie ein Gast unter deinem Dach zu leben, wie ein nie erwachsen gewordener Sohn, in deinem Haus, dem Symbol für deine Größe und deinen Erfolg, ein solcher Mann ist in deinen Augen charakterlos. Einen Mann, der nicht in der Lage ist, sich seine eigene Unabhängigkeit zu verdienen, hältst du für schwach: Marco Augusta hat einen scharfen Verstand, er wird merken, dass dein Angebot eine Falle ist. Niemand entscheidet sich für ein solches Leben.»«Und wenn er doch akzeptiert?», fragte ich. Ich war mir meiner Sache sicher, da ich - im Gegensatz zu ihr - die Menschen so sehe, wie sie sind. Ich selbst bin übrigens keinen Deut besser.«Ich kann keinen Mann lieben, den du gering schätzt», erwiderte Marietta,«ich könnte es nicht dulden, dass er mich anrührt.»
Dort in Marcos einfacher Unterkunft befiel mich die Angst, dieser junge Mann könne es derart auf Marietta abgesehen haben, dass er sie trotzdem mit sich fortnimmt und auf alles Übrige verzichtet. Meine Befürchtungen waren völlig unnötig. Marco Augusta nahm das Angebot an.
Folgendes gab ich meinem geliebten Funken als Aussteuer mit. Vier mit Wäsche und Kleidung überquellende Truhen aus Nussbaumholz. Einen Schrank mit Schnitzereien. Ein Bett mit Satinvorhängen, vergoldeten und geschnitzten Holzpfeilern mit Kapitellen aus Blumen und Früchten und einer Baldachindecke, die mit einem Muster aus Amoretten bemalt war. Zwei Vliese. Vier Feder- und Wollkissen. Einen Bettwärmer. Sieben Kandelaber aus Eisen. Fünf Betttücher aus Reims. Eine echte Schiffstruhe. Drei persische Teppiche. Vier Damenhemden, acht Herrenhemden.
Vierzehn Tischtücher aus feinem Leinen, grobem Leinen und grobem Werg, sechs Taschentücher, Laken, Kissenbezüge und Handtücher, einen Spiegel, einen Kupferkrug, sechsunddreißig Zinnteile, einen Blecheimer, eine Kaminkette und drei Rostspieße. Meine Frau schenkte ihr ein Kreuz aus Silber und Obsidian - dasselbe, das Marietta Zuane schenkte, als er fortging, und das sich in der zurückgeschickten Kiste befand. Ihre Brüder schenkten ihr - ob mit einem ironischen oder böswilligen Augenzwinkern vermag ich nicht zu beurteilen - einen Silberkorb, der eine Nadelbüchse, einen Haufen Nadeln aus Damaskus und einen ziselierten silbernen Fingerhut enthielt.
Mein Hochzeitsgeschenk war ein Gemälde. Was sonst? Beide waren sie darauf abgebildet: Marietta in weißen Kleidern und Marco Augusta in einer knappen Ärmeljacke. Er war rasiert, trug loses, auf die Schulter hängendes Haar und eine Silberkette mit Lapislazulisteinen, die auf dem dunklen engen Jäckchen hervorstachen. Im Fensterausschnitt hinter ihnen war der Schatten des Kirchturms von Madonna dell’Orto zu sehen. Mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen schaute Marietta ihrem Betrachter direkt in die Augen - und der war ich. Es war mein letztes Bild von ihr, das wusste sie.
Ihre Wohnung bestand aus einem Wohnzimmer mit Kamin, von dem drei weitere Zimmer abgingen: die Küche, das Schlafzimmer und ein Raum nach hinten hinaus, der zu Mariettas Atelier wurde. Die Wände schmückten sie mit Bildern von mir
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