Tintorettos Engel
Cavaliere Morosini aber hat ausdrücklich darum gebeten, Meister Tintoretto möge sich in dem Feldbett zur Ruhe legen, das auch er höchstpersönlich benutze, wenn er uns hier die Ehre erweist.»«Ich heiße nicht Tintoretto, sondern Jacomo Robusti», korrigierte ich ihn.«Des Weiteren ist der Bursche mein Sohn, und er schläft bei mir.»
Ein schwarz gekleideter Diener in eng anliegendem Jäckchen mit goldglänzender Knopfleiste geleitete uns durch ein weißes Labyrinth aus leeren Räumen. Das Feldbett war nichts anderes als eine Bahre auf zwei Astgabeln. Nur mit Mühe würde es das Gewicht eines Mannes aushalten. Auf beiden Astgabeln aber stach ein bemaltes Porzellanwappen hervor. In gebotener Bescheidenheit erläuterte der Diener, dass dieses Feldbett seinen Herrn auf allen militärischen Feldzügen begleitet habe. Sein Herr sei nämlich ein wahrer Held. Sämtliche Feinde habe er besiegt.«Mein Vater hat auch immer sämtliche Feinde besiegt», entgegnete Marietta. Der Diener verzog den Mund, den Gästen seines Herrn zu widersprechen war ihm jedoch nicht erlaubt. Er legte einen Armvoll Felle und ein Kissen auf das Bett, fachte den Kamin an und pustete Luft durch die Klappe des Kohlenbeckens. Dann stellte er eine Glocke auf den Boden, für den Fall, dass wir ihn brauchten, wünschte uns
eine gute Nacht und ließ uns allein.«Jacomo», sagte Marietta und begann, sich in dem weiten Raum im Kreis zu drehen,«wenn du eine Villa mit Frontgiebel bauen lässt, dann werden wir bestimmt auch einen Diener mit Goldknöpfen haben.»
Ich war müde und gereizt. Hoffentlich würde Faustina nicht auf die unglückselige Idee kommen, in dieser Nacht zu entbinden. Das hätte sie mir nie verziehen.«Ständig bist du in deinem Atelier oder für irgendeinen Auftrag unterwegs, und pausenlos hantierst du an deinen Leinwänden herum», hat sie in den letzten Tagen immer wieder geschimpft,«aber zumindest wenn ich mich damit quäle, unsere Kinder auf die Welt zu bringen, verlange ich von dir, dass du bei mir bist.»
Ich setzte mich auf den Fellhaufen und zog die Schuhe aus. Marietta, die meinen Groll erahnte, verstummte und tat es mir gleich. Quietschend neigte sich die Liege zu meiner Seite.«Gute Nacht, mein Funke», sagte ich.«Willst du schon schlafen?», fragte sie überrascht.«Warum bleiben wir nicht noch ein bisschen wach und genießen diese herrliche Villa, da wir sie nun ganz für uns haben?»«Bei Sonnenaufgang reisen wir ab», erwiderte ich nur kurz und legte mich auf den Rücken, was sie wenig später auch tat. Doch sie versank regelrecht in der Liege. Alle beide rollten wir in die Mitte. Mariettas Hüfte stieß an meine Seite. Mühsam hievte ich mich wieder an den Rand, kullerte aber sofort wieder zurück. Für einen Moment zog ich in Betracht, mein Lager auf dem Boden herzurichten, aber da es dort viel zu kalt war, verwarf ich den Gedanken wieder. Die Wände strahlten eine Helligkeit aus, die mich ein wenig aufmunterte. Auch das Feuer im Kamin knisterte und leuchtete. Dennoch konnte ich nicht schlafen. Ich verspürte nicht nur keine Müdigkeit, meine Kleidung fühlte sich obendrein klamm und feucht an. Daher zog ich sie mir vom Leib. Im Licht des Kohlenbeckens sah ich auf einmal Mariettas stechenden Blick, der sich nicht von mir abwendete.«Ich rate dir, das Gleiche zu tun», sagte ich zu ihr,«sonst holst du dir noch
den Tod.»Nachdem ich mich zur Wand gedreht und die Decke über den Kopf gezogen hatte, hörte ich Mariettas Kleider auf den Boden fallen.
Die viel zitierte Ruhe auf dem Land ist ein Hirngespinst. Immer schon habe ich das Leben auf dem Land verabscheut. Schon damals konnte ich nicht begreifen, warum sich reiche oder auch arme Leute, wenn sie zu Geld gekommen sind, ein Haus auf dem Land kaufen wollen. Es ist mir unbegreiflich, wozu man so viel Geld ausgibt, um Kälte, Langeweile und Einsamkeit zu erdulden, wenn es sich doch in der Stadt so angenehm leben lässt. Irgendwo da draußen, auf irgendeinem Baumwipfel oder Ast hockte ein grässlicher Vogel und wiederholte wie besessen unentwegt seine Leier. Nur drei Töne, aber diese bis in alle Ewigkeit. Durch die offenen Fenster hörte ich das Rauschen der Blätter und das Knacken der Äste, die an das Baugerüst stießen. Über den Boden huschten sonderbare Insekten mit behaarten Beinen und glänzenden Panzern, deren Namen ich lieber nicht wissen wollte. Hinter mir hörte ich Marietta ein- und ausatmen. Sie schlief nicht. Hin und wieder streckte sie mal das eine und
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