Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
den Beutel mit den Münzen zurückbrachte, den jener ihm gegeben hatte, um die Händler zu bezahlen, wog ihn der Seigneur stirnrunzelnd in der Hand.
»Kann es sein, dass diese beiden Frauenzimmer Auray leer gekauft haben?«, erkundigte er sich brummig.
»Die Demoiselle trägt keine Schuld daran«, verteidigte Erwann Tiphanie. »Am liebsten hätte sie die Händler wieder fortgeschickt. Aber Ihr habt Befehl gegeben, alles anzuschaffen, was eine Dame benötigt. Sie besaß nichts außer einem hässlichen Rosenkranz.«
Jannik de Morvan bereute seine Bemerkung bereits. Weshalb führte er sich wie ein Geizkragen auf, dem jemand die letzten Sous abluchsen wollte? Sein Vermögen war groß genug, um ein ganzes Kloster voll bedürftiger Demoisellen in Samt und Seide zu hüllen. Diese eine hatte es ohnehin verdient. Er gönnte ihr den Weiberkram, über den sie vermutlich in närrisches Entzücken ausbrach, er wollte sie lediglich nicht in seinem Kopf haben.
»Lass gut sein«, brummte er wortkarg. »Bring mir Wein!«
»Ihr esst wieder mit der Demoiselle?«
»Zum Henker, nein!«, fuhr der Ritter erneut auf. »Das Mädchen ist doch keine Edeldame, der ich Höflichkeiten erweisen muss.«
»Aber sie könnte es sein«, warf Erwann keck ein. »Sie wäre nicht das erste arme Wurm, das zum unschuldigen Opfer von Familienfehden geworden ist. Ich finde, seit sie ordentlich gekleidet ist, kann sie es mit jeder Edeldame aufnehmen! Sie muss von noblem Blut sein!«
»Na wunderbar!« Sarkasmus tropfte wie Regenwasser aus den Worten des Seigneurs. »Wie es aussieht, hat dieses Wunderwesen ja schon einen Chevalier gefunden, der seine Ehre verteidigt. Aber vergiss über deiner rührenden Ergebenheit bitte nicht, dass du mein Knappe bist und mir zu dienen hast. Sagte ich nicht etwas von Wein?«
Erwann stürzte davon, den Befehl seines Herrn zu befolgen und die Röte zu verbergen, die in seine Stirn gestiegen war. Wenn de Morvan in diesem beißenden Ton mit ihm sprach, deutete das auf eine seiner zynischen Stimmungen hin. In solchen Fällen hatte er gelernt, zu gehorchen und sich unsichtbar zu machen. So unsichtbar, dass Tiphanie Mühe hatte, ihn zu finden. Am Ende entdeckte sie ihn bei den Ställen, wo er auf einem Strohballen saß und mit Hingabe die Waffen seines Herrn polierte.
Ihre Frage nach dem Seigneur beantwortete er mit einem Kopfschütteln. »Besser, Ihr stört ihn nicht. Es gibt Stunden, da will er allein sein. Da kann er keinen Menschen um sich ertragen!«
»Du meinst, er nimmt das Nachtmahl heute alleine ein?«
»Weniger das Nachtmahl als den Wein.« Erwann verzog den Mund. »Er trinkt.«
»Er trinkt?«, wiederholte Tiphanie verständnislos. »Das hat er doch gestern auch getan.«
»Aber nicht in dieser Menge«, erklärte Erwann geduldig. »Es passiert nicht oft, aber wenn, dann lässt man ihn besser in Frieden. Am nächsten Morgen ist er ungenießbar und absolviert seine Waffenübungen, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Danach ist er wieder für einige Zeit völlig normal.«
»Er muss krank sein!« Eine andere Erklärung wollte dem jungen Mädchen für ein so seltsames Benehmen nicht einfallen. »Man muss ihm helfen.«
»Das lasst besser bleiben«, riet Erwann energisch ab. »Betrunken ist er vom Satan besessen! Es ist nicht ratsam, ihm in dieser Stimmung über den Weg zu laufen.«
Tiphanie hörte ihn schon nicht mehr. Sie raffte ihre blauen Röcke, damit sie nicht mit dem Schmutz in Berührung kamen, und lief ins Haus zurück. Endlich konnte sie sich nützlich machen.
Sie achtete nicht auf die verblüfften Blicke, die ihr folgten. In Gedanken ging sie bereits alle Heilmittel durch, die sie gegen einen schmerzenden Kopf und die seltsamen Grillen der Traurigkeit kannte. Sie war in der Krankenstation des Klosters der Schwester oft zur Hand gegangen, denn die Leidenden schätzten ihre leichte Hand und die sanfte Stimme, die sogar aus einem vertrauten Gebet ein melodisches Schlaflied machen konnte.
Vorsichtig öffnete sie die Tür zum Gemach des Ritters und schlüpfte durch den Spalt. Im ersten Moment hatte sie Schwierigkeiten, sich im Halbdunkel zurechtzufinden. Die Glut des Kaminfeuers beleuchtete nur einen Teil der Kammer. Von den fünf Kerzen in dem runden eisernen Leuchter neben dem Alkoven waren bereits drei herabgebrannt.
Zwischen den tiefen Schatten entdeckte sie erst auf den zweiten Blick die athletische Gestalt, die mit weit von sich gestreckten Beinen in einem der gepolsterten Stühle lümmelte und
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