Tiphanie – Feuer der Sehnsucht
geistesabwesend in den Kamin starrte. Zwei leere umgestürzte Weinkannen auf dem Boden bezeugten, was den Ritter in diesen Zustand versetzt hatte.
»He du!« Er richtete sich auf und nahm an, dass seine ungeduldigen Rufe nach Erwann sie in den Raum gelockt hatten. »Dieser nichtsnutzige Lümmel von Knappe ist verschwunden. Bring mir Wein, die Kannen sind leer! Ich hab Durst!«
Tiphanie hörte, dass seine Worte leicht verschwommen klangen und dass er plötzlich den vertrauten bretonischen Dialekt sprach, in dem sich die einfachen Leute verständigten. Sie tat es ihm nach, auch wenn ihm ihre Antwort nicht besonders gefiel.
»Ihr habt genug getrunken«, sagte sie sanft und rümpfte die Nase über die Wolke aus Weinatem und Schweiß, die sie anwehte. »Wenn Ihr Vergessen sucht, dann geht zu Bett und schlaft!«
»Ach ja?« Jannik de Morvan war gehörig betrunken, aber er stand noch nicht so unter Alkohol, dass er sich von dieser halben Portion zurechtweisen ließ. »Willst du mir Ratschläge erteilen, kleine Betschwester? Wo kommst du überhaupt her? Ich habe Erwann gerufen, diesen dummen Faulpelz!«
»Erwann ist im Hof und pflegt Eure Waffen«, erklärte Tiphanie und verschränkte die Hände vor der Brust. »Er ist kein Faulpelz.«
Der Ritter glaubte aus der ruhigen Feststellung einen Vorwurf herauszuhören, den Tiphanie gar nicht beabsichtigt hatte. Er hasste sich selbst, wenn er Trost im Wein suchte, und je tiefer er in diesem Gefühl versank, um so unleidlicher wurde er. Ein letzter Rest von Selbstbeherrschung ließ ihn jedoch eine Warnung aussprechen.
»Geh! Ich kann dich nicht gebrauchen! Lass mich allein! Ich will keine Weiber sehen!«
»Bei diesem Licht könnt Ihr ohnehin nichts sehen!« Tiphanie ging zur Fensternische, die auf beiden Seiten einen gemauerten Sitz enthielt, und ließ sich auf dem Stein nieder. »Was bedrückt Euch? Schmerzt Euch der Kopf?«
Die freundliche Hartnäckigkeit, mit der sie seine Beleidigungen ignorierte, steigerte seine Gereiztheit zum offenen Zorn. »Zum Henker, du bringst es fertig, dass ich meine Anwandlung bereue, mich um dich zu kümmern. Es gibt dir nicht das Recht, mich zu belästigen!«
»Ihr müsst Euch keine weitere Mühe geben, mich zu erschrecken«, wisperte sie leise. »Ich bin nicht besonders tapfer.«
»Und warum, zum Donnerwetter, gehst du dann nicht einfach?«
»Weil ich denke, dass Ihr einen Menschen braucht, der bei Euch ist, wenn Ihr so hilflos gegen das Schicksal rebelliert!«
»Wer sagt dir, dass ich das tue?«
»Eure Augen!«
Der türkisfarbene Blick hielt den dunkelblauen Zornflammen beharrlich stand. Er konnte ihre Verlegenheit erkennen, aber zugleich auch die unbeirrbare Überzeugung, dass sie nicht von der Stelle weichen würde.
Tiphanie spürte ihr Herz schneller schlagen. Kleine Schweißperlen liefen die schmale Furche ihrer Wirbelsäule hinunter, und ihr Atem wurde knapp. Es kam ihr vor, als stände sie in einem Scheiterhaufen, dessen Flammen sie bereits in ein Meer aus flirrender Hitze und Glut hüllten. Jeden Moment würde sie verbrennen.
»Närrisches Ding!«, hörte sie ihn knurren.
»Beschimpft lieber mich, statt mit dem Himmel zu hadern«, wisperte sie tonlos. »Ich kann’s vertragen, und bei mir ist es keine Sünde.«
»Sie müssen dir einen Schlag auf den Schädel gegeben haben, anders kann ich mir deine Dummheit nicht erklären!«
»Mutter Elissa hat nur mit der Rute zugeschlagen, wenn man ungehorsam war. Auf die Hände und wenn man sehr böse war, auf den bloßen Rücken!«
»Anscheinend haben ihre Mittel bei dir versagt, wenn ich mir ansehe, welchen Trotz du bietest. Hast du keine Angst, ich könnte zum gleichen Mittel greifen? Ich besitze eine Reitpeitsche!«
»Warum solltet Ihr mir weh tun?«
»Vielleicht, weil du die Dämonen weckst, die ich besiegt zuhaben glaubte!« Jannik de Morvan wandte sich ab und bedeckte die Augen mit der Hand. »Geh! Fort mit dir, Betschwester!«
Sein alkoholumnebelter Geist arbeitete nicht mit der gewohnten Geschmeidigkeit, und der zarte Duft nach Sommerrosen, der ihn bei jeder Bewegung aus Tiphanies Richtung anwehte, machte ihn zusätzlich verdrießlich.
Weshalb zum Teufel? Er hatte sich die Frage kaum gestellt, als sich die Antwort bereits aufdrängte.
Er begehrte sie! Er wollte diesen zierlichen, verführerischen Körper unter sich spüren. Sich in ihrem Rosenduft verlieren und sie nie wieder aus seinen Armen lassen. Er war auf dem besten Wege den Verstand zu verlieren!
»Raus! Verlass
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