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Tiphanie – Feuer der Sehnsucht

Tiphanie – Feuer der Sehnsucht

Titel: Tiphanie – Feuer der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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resignierten Einschätzung seines Gastgebers galt. Irgend etwas in Tiphanies türkisfarbenen Augen rührte an Bereiche seiner Seele, die er für immer verschlossen geglaubt hatte. Vielleicht hatte es mit ihrem einfachen Wunsch zu tun, seiner Gemahlin zu dienen. Ihre naive Vorstellung, dass er einen Haushalt und ein Zuhause besitzen würde, hatte alte Wunden aufgerissen.
    Tiphanie spürte seinen Blick und seine Gedanken gleich einer Berührung aus der Ferne. Sie hielt ihr Gesicht in den Wind, der den Salzhauch des Meeres mit sich trug, und atmete in tiefen, gierigen Zügen seine Frische ein. Sie entdeckte unerwartetes Vergnügen darin, ihre Augen über eine Weite schweifen zu lassen, die nicht von Mauern und hohen Bäumen begrenzt wurde. Der Anblick des Meeres, das ihre Heimat umgab, schien ihr vertraut, obwohl sie es noch nie gesehen hatte.
    Ohnehin empfand sie plötzlich Dinge, von denen sie nicht geahnt hatte, dass es sie gab. An erster Stelle stand da der unwiderstehliche Wunsch, nicht von der Seite des hoch gewachsenen Edelmannes zu weichen. Es gefiel ihr viel zu sehr, ihn in der Nähe zu wissen, seine knappe, barsche Stimme zu hören und in die Stunden seines Tages eingebunden zu sein.
    Wie er dort oben auf dem Turm stand, dunkel, hoch gewachsen und stolz, erfreute sich ihr Herz schon an seinem bloßen Anblick. Sie erschauerte, obwohl sie einen warmen Wollumhang über ihrem schönen blauen Gewand trug, der sie von Kopf bis Fuß einhüllte, und zudem eine pelzgefütterte Kapuze besaß. Unwillkürlich schlang sie die Arme um die eigene Taille. Sie spürte den Rosenkranz, den sie so gut wie nie ablegte. Aber sie mied den Gedanken daran, was er bedeutete. Sie wollte nichts davon wissen. Da war es schon besser, über den Seigneur nachzudenken, dem sie Ergebenheit geschworen hatte.
    Von Erwann hatte sie ein wenig über ihn erfahren. Ein großer Kriegsherr schien er zu sein. Ein Ritter, der in zahllosen Schlachten und Turnieren seine Kampfkraft unter Beweis gestellt hatte und der am Hofe des Herzogs geehrt wurde. Ein edler Seigneur, der über ein großes Lehen verfügte. Tiphanie ließ sich von ihren Träumen davontragen. Besaß er eine Burg wie diese? Ein nobles Stadthaus in Rennes oder gar mehrere Häuser?
    Die Geschichten von edlen Rittern und prächtigen Festen, die Ysobel de Locronan ihr flüsternd erzählt hatte, wenn sie zusammen im Gemüsegarten Unkraut jäteten oder in endlosen Stunden die einfachen Stoffe webten, die das Kloster für seinen Bedarf benötigte, tauchten wieder in ihrer Erinnerung auf. Märchen, deren Helden sich Tiphanie nie hatte vorstellen können. Jetzt sahen plötzlich alle Ritter wie der Seigneur de Morvan aus, und die Damen, denen er den Hof machte, trugen blaue Tuniken und prächtige Hauben.
    »Tiphanie! Jungfer Tiphanie!« Ein wenig atemlos galoppierte Erwann de Brace heran und stürzte sich in eine Verneigung. »Rina sagt, Ihr sollt in Eure Kammer kommen. Der Händler mit den Stoffen ist eingetroffen und auch der Schuhmacher!«
    »Danke, Erwann!« Tiphanie gönnte dem Pagen ein scheues Lächeln, das ihn glühend rot werden und über die eigenen Füße stolpern ließ. Der ahnungslose Liebreiz, den sie ausströmte, betäubte ihre Umgebung förmlich.
    Rina kommandierte den Tuchhändler mit dem Genuss einer Frau herum, die noch nie aus dem Vollen geschöpft hat und dies endlich tun kann. Tiphanie hielt es für Verschwendungssucht.
    »Wozu brauche ich so viele Gewänder?« Sie schüttelte den Kopf und strich bewundernd über die Wollstoffe, Samte und Leinen, die sich in Ballen und Mustern auf ihrem Tisch türmten. »Das ist völlig unnötig!«
    »Der Seigneur hat befohlen, dich wie eine Dame auszustatten«, behauptete Rina. »Sei froh darüber. Eine wohl gefüllte Kleidertruhe ist für jedes Mädchen von Vorteil. In Zeiten der Not kannst du das eine oder andere Stück verkaufen, und wenn nicht, ist es eine feine Sache, wenn du nicht immer in denselben alten Fetzen herumlaufen musst. Glaube mir, ich weiß, wovon ich spreche!«
    Triphanie dachte an die bescheidene Kutte, die sie in Sainte Anne getragen hatte. Einmal im Jahr hatte jede Schwester ein neues Hemd erhalten. Grobes Leinen, das auf der Haut kratzte und an heißen Tagen rote, juckende Flecken verursachte. Ihre zarte Haut hatte besonders darunter gelitten, und Mutter Elissa hatte es jeden Sommer als Gottes Strafe für versteckte Eitelkeit bezeichnet. Die Erinnerung daran erstickte jetzt jeden Protest.
    Als Erwann de Brace seinem Herrn

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