Titan 10
schrie er ungehalten. Dann griffen seine Hände in die Öffnung der Brusthöhle, wurden plötzlich unglaublich feinfühlig, als sie das Herz umfaßten und es sanft massierten, mit all der Routine eines Mannes, dem jede Funktion dieses Organs bekannt war. Druck, Gegendruck, entspannen; wieder Druck, langsam, nicht nervös werden! Es hatte keinen Zweck, das Herz zu schnell wieder zum Schlagen zu bringen, wenngleich sein Instinkt das verlangte. Sauerstoff wurde in die Lungen gepreßt und entlastete die Arbeit des Herzens. Immer der gleiche Rhythmus, ein Schlag pro Sekunde, sechzig pro Minute.
Vielleicht eine halbe Minute nach dem Aussetzen des Herzschlags floß wieder Blut durch Jorgensons Körper; in dieser kurzen Zeit konnte das Gehirn, das zuerst in Mitleidenschaft gezogen wurde, nicht beschädigt worden sein. Wenn das Herz jetzt in nicht allzu langer Zeit von alleine wieder schlug, hatten sie dem Tod noch einmal ein Schnippchen geschlagen. Wie lange aber? Er konnte es nicht sagen. Als er noch studierte, wurden zehn Minuten als Maximum angesehen, aber danach hatte es einen Fall mit zwanzig gegeben, und während er operierte, hatte das Herz des Patienten eine Stunde lang nicht geschlagen. Dieser Rekord war noch ungebrochen, und sicherlich war er eine Ausnahme. Gottlob war Jorgenson kerngesund und überaus kräftig, aber nach der Tortur, die er durchgemacht hatte, nach der Radioaktivität, den Drogen und dem Curare war schon ein Wunder nötig, wenn er überleben sollte.
Drücken, massieren, entspannen, nicht zu schnell. Ja! Eine Sekunde lang fühlten seine Finger ein schwaches Zittern, aber es ließ wieder nach. Aber solange das Herz solch ein Zeichen gab, bestand noch Hoffnung. Wenn nur nicht seine Finger müde wurden und er in dem Moment alles verdarb, da das Herz wieder von allein zu schlagen begann.
»Jenkins!«
»Ja, Sir?«
»Haben Sie schon einmal eine Herzmassage durchgeführt?«
»Auf der Uni geübt, Sir, an einem Modell, aber niemals während eines wirklichen Notfalls. O ja, an einem Hund, kurz vor dem Examen, fünf Minuten lang. Ich … ich glaube nicht, daß ich es schaffe, Doc.«
»Ich muß aber daran glauben. Wenn Sie es bei einem Hund geschafft haben, wird es wahrscheinlich auch bei einem Menschen gehen. Sie wissen ja, was davon abhängt, Sie haben den Konverter ja gesehen und können sich denken, was passieren wird.«
Jenkins nickte so verkrampft, wie es früher bei ihm der Fall gewesen war. »Das weiß ich … und genau deshalb können Sie nicht auf mich zählen, Doc. Ich habe gesagt, ich würde Sie wissen lassen, wenn ich zusammenklappe – und das wird nicht mehr lange dauern!«
Konnte ein Mann seinen Zusammenbruch vorausberechnen? Doc wußte es nicht, aber er ahnte, daß es um so schneller gehen würde, je länger der Junge so sehr auf seinen eigenen Zustand achtete. In dieser Hinsicht war Jenkins ohnehin sehr merkwürdig, seine Nervosität und Angst plagte ihn ständig, aber im Notfall war er von solch einer eiskalten Ruhe, die keiner seiner älteren Kollegen aufbringen konnte. Wenn es nicht anders ging, mußte er auf ihn zurückgreifen – und würde es auch.
Docs Finger wurden langsam steif; zwar noch nicht müde, aber es würde nicht mehr lange dauern. Noch ein paar Minuten, und er mußte aufgeben. Wieder schlug das Herz kaum merklich, und noch einmal, aber nach dem dritten Zittern regte es sich nicht mehr. Es mußte eine andere Möglichkeit geben, selbst wenn er und Jenkins sich abwechselten, konnten sie das Herz nicht so lange am Schlagen halten, wie es nötig gewesen wäre. Nur Michel von der Mayo‐Klinik war dazu imstande … die Mayo‐Klinik! Falls sie rechtzeitig hierher kommen könnten, war das, was sie auf der letzten Ärztetagung vorgeführt hatten, die Rettung!
»Jenkins, rufen Sie die Mayo‐Klinik an. Lassen Sie sich dafür Palmers Zustimmung geben. Dann fragen Sie nach Kubelik. Und schaffen Sie einen Nebenanschluß herbei, damit ich mit ihm sprechen kann!«
Er konnte Jenkins’ Stimme hören, zuerst gelassen, dann mit so viel Erregung, wie er sie dem Jungen gar nicht zugetraut hatte. Dodd schaute ihn kurz an und rang sich ein verzerrtes Lächeln ab, wobei sie den Sauerstoffapparat keinen Augenblick außer acht ließ. Sie errötete nicht, obwohl das bei Jenkins’ Flüchen eigentlich hätte geschehen müssen.
Der junge Arzt kam zurück. »Nichts zu machen, Doc! Ich kann Palmer nicht finden, und diese Mißgeburt in der Vermittlung will einfach nicht begreifen.«
Doc
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