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Titan 10

Titan 10

Titel: Titan 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
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versuchte er, dem Herz ein schwaches Zittern zu entlocken. Einmal hatte es den Anschein, als sei es ihm gelungen, aber mit Sicherheit konnte er das nicht behaupten. Jetzt hing alles davon ab, wann Kubeliks Maschine mit der Arbeit beginnen konnte – und wie lange ein Mensch fähig war, nur mit Hilfe von künstlichen Manipulationen zu überleben.
    Auf diese Frage wußte Ferrel keine Antwort.
    Aber ohne Zweifel glühte der Lebensfunke noch in Jorgenson. Draußen tickte die von Menschen erzeugte Hölle in gleichbleibendem Rhythmus. Irgendwann würde der Prozeß die radioaktive Masse in Mahlers Isotop umwandeln. Doc hielt sich für einen Agnostiker, aber nun schweiften seine Gedanken zurück zu dem naiven Glauben seiner Kindheit, und er hörte, wie Dr. Brown das Gebet laut sprach, das unhörbar über seine Lippen kam. Drei Umkreisungen legte der Sekundenzeiger der Uhr zurück, dann hörte er endlich Schritte. Immer noch regte Jorgensons Herz sich nicht. Wieviel Zeit blieb noch für die schwere und für ihn ungewohnte Operation, die er durchführen mußte?
    Mit einem raschen Seitenblick streifte er die scheinbar zahllosen Fäden aus Platin, mit denen die Nervenstränge zu Jorgensons Herz und Lunge verbunden werden mußten. Sie alle waren sorgfältig markiert, aber dennoch erschreckte ihre Zahl. Wenn er jetzt einen Fehler machte, würde es keine zweite Chance geben; wenn seine Finger zitterten oder die müden Augen sich im falschen Moment schlossen, gab es keine Hilfe mehr für Jorgenson. Dann war Jorgenson tot.
     
     
5
     
    »Übernehmen Sie die Massage, Dr. Brown«, befahl er. »Und führen Sie sie weiter durch, egal, was auch geschehen mag. Gut. Dodd, helfen Sie mir bitte. Achten Sie auf meine Zeichen. Wenn es klappt, können wir uns nachher lange genug ausruhen.«
    Ferrel fragte sich grimmig, welcher Teufel ihn wohl geritten haben mochte, weil er sich vor Jenkins als der einst berühmteste Chirurg gerühmt hatte; damals mochte es zutreffend gewesen sein, das konnte er ohne falsche Bescheidenheit sagen, aber diese Zeiten waren längst vorbei, und hier war eine teuflisch schwere Aufgabe zu lösen. Mit neuem Mut dachte er an Kubeliks Vorführung der Maschine; auf dem Ärztetreffen hatte ein Hund als Versuchsobjekt gedient, und er erinnerte sich auch noch recht gut an alle Einzelheiten. Seine Hände waren auch noch ruhig, aber zu einem wirklich großen Chirurgen gehört mehr als ein gutes Gedächtnis und ruhige Hände; und er fragte sich, ob er dieses Mehr noch besaß.
    Dann, als seine Finger die winzigen Bewegungen wie von allein durchführten und Dodd zu einem zweiten Körper von ihm wurde, hatte er die Antwort. Was immer es auch sein mochte, er fühlte es durch seinen Körper strömen und empfand tiefste Freude, die seine Aufmerksamkeit aber nicht beeinträchtigte. Wahrscheinlich spürte er dieses Gefühl nun zum letzten Mal, und sollte die Operation glücken, blieb sie ihm als Erinnerung seines größten Erfolges. Der Mann auf dem Tisch war plötzlich nicht mehr Jorgenson, die kleine Notaufnahme der Atomic wurde zum großen OP‐Saal der Mayo‐Klinik, und seine Finger waren wieder die des großen Ferrel, des Wunderknaben der Mayo‐Klinik, der immer wieder das Unmögliche möglich machte.
    Aber er bewunderte auch diese Maschine, plump, häßlich, wie sie dort stand; einzelne Teile ragten wie Splitter aus ihr heraus. Sie sah eher aus wie ein Folterinstrument als ein Produkt medizinischtechnischer Forschung, aber sie arbeitete. Er hatte es selbst gesehen. In dieser häßlichen Verbindung scheinbar wahllos zusammengestückelter Einzelteile versorgten sinnreiche Apparaturen Herz und Lunge und gaben diesen Organen Befehle, die das Gehirn nicht mehr liefern oder die die Organe auf natürlichem Wege nicht mehr erreichen konnten, koordinierten Atmung und Herzschlag. Sie war ein Produkt genialer Kombination aus Chirurgie und Elektronik, aber so wunderbar ihre Funktionsweise auch war, so schwierig war es ebenfalls, alle Nerven und Nervenstränge richtig anzuschließen und somit die Möglichkeiten der Chirurgie zu vergrößern.
    Brown unterbrach ihn. Diese Unterbrechung während der schwierigen Arbeit offenbarte, wie sehr ihre Nerven gelitten hatten. »Das Herz zuckte ein wenig, Dr. Ferrel!«
    Doc nickte; die Unterbrechung hatte ihn nicht aus dem Konzept gebracht. Zwischenbemerkungen, die die meisten Chirurgen maßlos störten, waren in seinem Team gang und gäbe. Ihm gelang es immer, einen Teil seines Verstandes auf die

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