Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 14

Titan 14

Titel: Titan 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
Verbrecher zu tun, Morey. Hemmungen sind oft gesellschaftlich erforderlich. Nehmen wir beispielsweise an, ein Durchschnittsmensch hätte keine Hemmungen gegen offenkundige Verschwendung. Wissen Sie, das wäre nämlich möglich. Nehmen wir an, er würde, anstatt seine Rationszuteilung auf ordentliche und verantwortliche Weise zu verbrauchen, sein Haus in Brand stecken und alles, was sich in ihm befindet, oder seine Lebensmittelzuteilung, in den Fluß werfen.
    Solange nur einige wenige Individuen das tun, behandeln wir die Individuen. Aber wenn es im massiven Maßstab geschähe, Morey, so wäre das das Ende der Gesellschaft, so wie wir sie kennen. Sehen Sie sich nur einmal die ganze Sammlung antisozialer Handlungen an, die man in jeder Zeitung findet. Männer, die ihre Frauen schlagen, Frauen, die zu Furien werden; Kinder, die Fenster einschlagen; Ehemänner, die anfangen, auf dem Schwarzen Markt Rationsmarken zu verkaufen. Und jedes Fehlverhalten dieser Art läßt sich auf eine grundlegende Schwäche in den Sicherungen des Geistes gegen das wichtigste einzelne asoziale Phänomen zurückführen – die Konsumverweigerung.«
    Morey wurde böse. »Das ist nicht fair, Doktor; das war doch schon vor Wochen! Wir haben doch in der letzten Zeit unsere Pflicht getan. Der Ausschuß hat mich sogar belobigt…«
    Der Doktor meinte milde: »Warum so heftig, Morey? Ich habe doch nur eine allgemeine Bemerkung gemacht.«
    »Es ist ganz natürlich, daß man sich gegen Anklagen verwahrt.«
    Der Doktor zuckte die Achseln. »Zuerst, zuallererst und in allererster Linie beschuldigen wir unsere Patienten nicht. Wir versuchen, ihnen zu helfen und herauszufinden, was in ihnen vorgeht.« Er zündete sich die Zigarette an, mit der er gewöhnlich das Ende der Sitzung ankündigte. »Denken Sie bitte darüber nach. Bis nächste Woche.«
    Cherry wirkte gefaßt und unnahbar. Sie küßte ihn flüchtig, als er das Zimmer betrat. Dann sagte sie: »Ich habe Mutter angerufen und ihr die gute Nachricht übermittelt. Sie und Dad haben versprochen, zum Feiern herüberzukommen.«
    »Mhm«, sagte Morey. »Liebling, was habe ich denn am Telefon Falsches gesagt?«
    »Sie werden gegen sechs hier sein.«
    »Ja, schon gut. Aber was habe ich gesagt? War es wegen der Rationen? Wenn du da empfindlich bist, verspreche ich dir, sie nie wieder zu erwähnen.«
    »Ich bin empfindlich, Morey.«
    Und er sagte verzweifelnd: »Es tut mir leid. Ich wollte…«
    Und dann hatte er eine bessere Idee. Er küßte sie.
    Cherry war zuerst passiv, aber nicht lange. Als er mit Küssen fertig war, schob sie ihn weg und kicherte sogar. »Ich will mich jetzt zum Abendessen anziehen.«
    »Sicher. Ich wollte ja nur…«
    Sie legte ihm den Finger auf die Lippen.
    Er ließ sie entkommen und schlenderte viel gelockerter in die Bibliothek. Die Nachmittagszeitungen erwarteten ihn. Er setzte sich brav an den Schreibtisch und begann sie der Reihe nach zu lesen. Als er sich zur Hälfte durch die World-Telegram-Sun-Post-and-News durchgearbeitet hatte, klingelte er nach Henry.
    Morey hatte die Theaternachrichten der Times-Herald-Tribune-Mirror fast zu Ende gelesen, als der Roboter endlich auftauchte. »Guten Abend«, sagte er höflich.
    »Wo warst du so lange?« fragte Morey. »Wo sind denn die ganzen Roboter?«
    Roboter stammeln nicht, aber es dauerte eine ganze Weile, bis Henry antwortete: »Unten, Sir. Brauchen Sie sie?«
    »Nein, das nicht. Ich habe sie nur schon länger nicht mehr gesehen. Bring mir einen Drink.«
    Der Butlerroboter zögerte. »Scotch, Sir?«
    »Vor dem Abendessen? Bring mir einen Manhattan.«
    »Der Vermouth ist ausgegangen, Sir.«
    »Ausgegangen? Würde es dir etwas ausmachen, mir das zu erklären?«
    »Er ist verbraucht, Sir.«
    »Das ist doch lächerlich«, brauste Morey auf. »Unser ganzes Leben lang sind uns die Getränke noch nicht ausgegangen, und das weißt du auch ganz genau. Du lieber Gott, wir haben doch erst neulich unsere Zuteilung bekommen, und ich habe ganz…«
    Er hielt inne. In seinen Augen flackerte es plötzlich, und er starrte Henry an.
    »Sie haben was, Sir?« erkundigte sich der Roboter.
    Morey schluckte. »Henry, hab’ ich… hab’ ich etwas getan, das ich nicht hätte tun sollen?«
    »Ich weiß nichts, Sir. Mir steht es auch nicht zu, zu sagen, was Sie tun sollen und was nicht.«
    »Natürlich nicht«, pflichtete Morey ihm düster bei.
    Er saß wie erstarrt da, blickte ausdruckslos ins Leere und erinnerte sich. Das, woran er sich erinnerte, bereitete

Weitere Kostenlose Bücher