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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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meiner Hähnchenbrust war eine köstliche dampfende Mischung aus Mandeln, Soja und Ingwer. Der Mikrowellenherd, der das Ganze aufgetaut und erhitzt hatte, mußte aber irgendwie nicht in Ordnung sein, denn beim ersten Bissen Fleisch stieß ich auf ein Eiskorn. Diese empfindlichen Apparate brauchen ständige Wartung, doch es fehlt an Mechanikern.
    Ich legte meine Gabel nieder. »Wovor haben Sie eigentlich Angst?« fragte ich.
    Ausnahmsweise einmal wich ihre Maske meinem Gesicht nicht aus. Während ich wartete, konnte ich fühlen, wie ihre Ängste kamen, ohne daß sie sie zu nennen brauchte – kleine dunkle Schatten, die draußen durch die Nacht huschten, an der radioaktiv verseuchten Stelle New Yorks zusammentrafen, mit den Rändern des violetten Streifens verschmolzen. Ich fühlte eine plötzliche Welle der Sympathie, das Verlangen, das Mädchen mir gegenüber in Schutz zu nehmen. Dies Gefühl der Anteilnahme verstärkte meine im Taxi entstandene Zuneigung zu dem Mädchen.
    »Vor allem«, sagte sie schließlich.
    Ich nickte und legte meine Hand auf die ihre.
    »Ich habe Angst vor dem Mond«, begann sie, und ihre Stimme wurde spröde und verträumt wie schon zuvor im Taxi. »Man kann ihn nicht mehr ansehen, ohne an ferngesteuerte Bomben zu denken.«
    »Über England steht derselbe Mond«, erinnerte ich sie.
    »Aber es ist nicht mehr Englands Mond. Er gehört uns und den Russen. SIE tragen die Verantwortung.«
    »Oh, und dann«, fuhr sie mit einer Kopfbewegung fort, »ich habe Angst vor den Autos und den Banden und der Einsamkeit und vor Inferno. Ich habe Angst vor dem Verlangen, das aus Ihrem Gesicht spricht. Und…« – ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab – »ich habe Angst vor den Ringern.«
    »Ja?« half ich ihr nach einem Moment vorsichtig weiter.
    Ihre Maske näherte sich mir. »Wissen Sie irgend etwas über die Ringer?« fragte sie schnell. »Die, die mit Frauen kämpfen, meine ich. Oft verlieren sie nämlich. Und dann brauchen sie ein Mädchen, um ihre Frustration abzureagieren. Ein Mädchen, das weich und schwach ist und schreckliche Angst hat. Das brauchen sie zur Bestätigung ihrer Männlichkeit. Die anderen Männer aber gönnen es ihnen nicht, ein Mädchen zu haben. Die anderen Männer wollen einfach, daß sie mit Frauen ringen und Helden sind. Sie brauchen aber Mädchen. Für sie ist es schrecklich.«
    Ich drückte ihre Hand fester, wie um ihr ein bißchen von meinem Mut zu übertragen – falls ich welchen hatte. »Ich glaube schon, daß ich Sie nach England schaffen könnte.«
    Plötzlich krochen Schatten auf unseren Tisch und machten dort halt. Ich blickte auf und sah die drei Männer von der Theke. Es waren die Männer, die ich in dem großen Coupé gesehen hatte. Sie trugen schwarze Pullover und enge schwarze Hosen. Ihre Gesichter waren ausdruckslos, wie die Rauschgiftsüchtiger. Zwei standen neben mir. Der andere hatte sich hinter dem Mädchen aufgebaut.
    »Hau ab, Mann!« hieß es kurz. Ich hörte, wie der andere dem Mädchen mitteilte: »Wir wollen ‘ne Runde ringen, Kleine. Was soll’s denn sein? Judo, eine kleine Schlägerei oder Mord und Totschlag?«
    Ich stand auf. Es gibt Situationen, in denen ein Engländer grundsätzlich malträtiert wird. Doch in diesem Augenblick erschien, wie der Star in einem Ballett, der fuchsartige Mann auf der Szene. Die Reaktion der anderen drei verblüffte mich. Es war ihnen äußerst peinlich.
    Er lächelte ihnen spöttisch zu. »Mit solchen Tricks macht ihr euch nicht so leicht bei mir beliebt«, sagte er.
    »Versteh das bitte nicht falsch, Zirk«, bat der eine flehend.
    »Ich weiß schon, wo’s lang geht«, meinte er. »Sie hat mir davon erzählt, was ihr heute nachmittag versucht habt. Auch so gewinnt ihr mein Herz kaum. Haut ab!«
    Verlegen traten sie den Rückzug an. »Gehn wir woanders hin«, sagte einer von ihnen laut, als sie sich umdrehten. »Ich weiß ‘ne Kneipe, wo sie nackt mit Messern kämpfen.«
    Zirk lachte und ließ sich neben meiner Begleiterin auf einen Stuhl nieder. Sie wich eine Spur vor ihm zurück. Ich schob meine Füße unter den Stuhl und lehnte mich vor.
    »Wer ist denn dieser Freund von dir, Schätzchen?« fragte er, ohne sie anzusehen.
    Mit einer kleinen Handbewegung gab sie die Frage an mich weiter. Ich erteilte ihm Auskunft.
    »Engländer«, stellte er fest. »Sie hat Sie also gefragt, wie man aus dem Land kommt? Und einen Paß kriegt?« Er lächelte freundlich. »Sie haut gerne mal ab. Nicht wahr, Schätzchen?« Seine

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