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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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für ihren kuhäugigen Charme entbrannt sein, anders kann ich mir seine nächste Bemerkung nicht erklären.
    »Als ich auf der Universität war, habe ich einen Kurs in moderner Dichtung belegt«, begann er. »Wir lasen sechs Autoren – Yeats, Pound, Eliot, Crane, Stevens und Gallinger –, und am letzten Tag des Semesters, als der Professor anscheinend das Bedürfnis hatte, eine kleine Rede zu halten, sagte er, ›diese sechs Namen stehen stellvertretend für unser Jahrhundert, und alle Widerstände der Kritik und der Hölle werden ihnen nichts anhaben können.‹
    Ich selbst«, fuhr er fort, »hielt seine Flöten des Krishna und seine Madrigale für großartig. Ich hielt es für eine Ehre, zu einer Expedition ausgewählt zu werden, an der er teilnahm.
    Ich glaube, er hat zwei Dutzend Worte mit mir gewechselt, seit ich ihm vorgestellt wurde«, schloß er dann.
    Jetzt kam die Verteidigung: »Haben Sie sich je überlegt«, meinte Betty, »daß er wegen seines Aussehens schreckliche Komplexe haben könnte? Außerdem war er das, was man ein Wunderkind nennt, und hatte wahrscheinlich nie Freunde, auf der Schule. Er ist empfindlich und sehr introvertiert.«
    »Empfindlich? Komplexe?« Emorys Stimme klang, als müßte er ersticken. »Der Mann ist so stolz wie Luzifer und eine einzige wandelnde Beleidigung. Man braucht bloß den richtigen Knopf zu drücken, wie zum Beispiel ›Hallo‹ oder ›Schöner Tag heute‹, und er macht Ihnen eine lange Nase. Für ihn ist das ein Reflex.«
    Sie murmelten noch ein paar Freundlichkeiten und entfernten sich dann. Nun sei gesegnet, Morton. Du kleiner pickeliger Kenner! Ich habe nie einen Kurs in Dichtkunst besucht, aber ich bin froh, daß jemand das gesagt hat. Die Kräfte der Hölle! Nun schön! Vielleicht hat irgend jemand meines Vaters Gebete erhört, und ich bin trotz alledem ein Missionar! Nur…
    … nur, daß ein Missionar etwas braucht, zu dem er die Leute bekehren kann. Ich habe mein privates System der Ästhetik, und ich nehme an, daß daraus irgendwo als Nebenprodukt so etwas wie eine Ethik herauskommt. Aber wenn ich je etwas zu predigen hätte, selbst in meinen Gedichten, so wäre ich nicht daran interessiert, es solch niedrigem Volk wie euch darzubringen. Schön, haltet mich für einen Snob, ich bin auch einer, in meinem Himmel ist kein Platz für euch, das ist ein privater Club, wo Swift, Shaw und Petronius Arbiter meine Gäste sind.
    Oh, und was für Gastmähler wir haben! Wir sezieren dort die Trimalchios und die Emorys! Und bis wir zur Suppe kommen, sind wir mit denen fertig, Morton!
    Ich drehte mich herum und setzte mich an meinen Arbeitstisch. Ich wollte etwas schreiben. Der Prediger sollte eine Nacht freibekommen. Ich wollte ein Gedicht schreiben, ein Gedicht über den einhundertsiebzehnten Tanz des Locar; über eine Rose, die dem Licht der Sonne folgt. Krank wie Blakes Rose, sterbend…
    Ich fand einen Stift und begann.
    Als ich geendet hatte, war ich zufrieden. Es war nicht lang, jedenfalls war es nicht länger, als es zu sein brauchte. Schließlich war Hochmarsianisch nicht gerade meine stärkste Sprache. Vielleicht würde ich die Übersetzung in meinem nächsten Buch unterbringen. Ich nannte es ›Braxa‹:
    »In einer Welt von Rot und Wind,
    Wo in sich neigender Zeit erstarret sind
    Die Brust und des Lebens Gesicht,
    Die beiden Monde wie Hund und Katz
    In den Gassen des Traums in ewiger Hatz,
    Selbst dort folgt die Blume dem Licht.«
    Ich legte es beiseite und fand etwas Barbiturat. Plötzlich war ich sehr müde.
    Als ich M’Cwyie mein Gedicht am nächsten Tag zeigte, las sie es einige Male sehr langsam durch.
    »Es ist schön«, sagte sie schließlich. »Aber Sie haben drei Wörter aus Ihrer eigenen Sprache verwendet. ›Katze‹ und ›Hund‹. Ich nehme an, das sind zwei kleine Tiere, die eine Art Erbfeindschaft füreinander empfinden. Aber was ist ›Blume‹?«
    »Oh«, sagte ich, »Ihr Wort für ›Blume‹ ist mir noch nie begegnet, aber ich habe eigentlich an eine Blume von der Erde gedacht, die Rose.«
    »Wie ist sie?«
    »Nun, ihre Blütenblätter sind normalerweise grellrot. Das ist die Metapher für Feuer, für Fieber, aber auch allgemein für die Intensität und Fülle des Lebens. Die Rose selbst hat einen dornigen Stiel, grüne Blätter und ein ausgeprägtes angenehmes Aroma.«
    »Ich wünschte, ich könnte eine sehen.«
    »Ich nehme an, das ließe sich machen. Ich werde nachsehen.«
    »Tun Sie das bitte. Sie sind ein…« Sie benutzte das Wort

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