Titan 17
war ihm in Tausend-Dollar-Noten ausgehändigt worden. Einige Leute waren lieblos genug, das als ausreichenden Grund für sein Verschwinden anzusehen. Allerdings sind die Geldscheine, deren Nummern notiert waren, soweit bekannt ist, nirgendwo mehr aufgetaucht.«
Bei diesem Stand der Dinge läutete die Türglocke, und wenige Minuten später betraten der Rektor der Universität und zwei Fakultätsmitglieder den Raum. Als sie einen Sitzplatz gefunden hatten, wandte sich der Anwalt an die Versammelten.
»Ich glaube, jeder von Ihnen kennt den Grund, warum ich Sie heute abend hierher gebeten habe.« Er hielt das Manuskript hoch. »Mein Schreiben dürfte ausreichend erklärt haben, wie dieses Dokument in meine Hände geriet. Bleibt mir nur noch zu sagen, daß ich das Manuskript mit einigen anderen Schreibproben von Professor Reubens und Raymond Bent an den Chirologen Herman Schultz weitergegeben habe. Er wies darauf hin, daß Sprache, Stil und Schriftform des Manuskripts mit denen auf den Proben identisch seien.«
Der Universitätsrektor nickte. »Ich glaube, das ist den Anwesenden bekannt. Das Manuskript stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus der Hand von Raymond Bent und trägt sowohl seine als auch Professor Reubens Unterschrift. So weit, so gut. Wir wissen auch von der merkwürdigen Art und Weise, wie dieses Schriftstück in Ihre Hände geriet. Aber wir wissen nichts vom Inhalt des Dokuments. Wenn Sie es uns allen vielleicht vortragen könnten…«
Derart in die Pflicht genommen, räusperte sich der Anwalt und las aus dem sicherlich merkwürdigsten Dokument, das je von einer menschlichen Hand geschrieben wurde.
Das Dokument
Ob je ein menschliches Auge in den Zeiten, die ich für immer hinter mir gelassen habe, Gelegenheit bekommt, diesen Text zu lesen, weiß ich nicht. Ich kann nur auf die Vorsehung vertrauen und mein Schriftstück in die Vergangenheit schicken, begleitet von inbrünstigen Gebeten, es möge in die Hände von verständigen Menschen fallen und deramerikanischen Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.
Als ich an jenem Nachmittag des 14. Oktobers 1926 in das Laboratorium des Professors kam, hatte ich noch keine Ahnung, welch schreckliches Schicksal mir in Bälde bevorstehen sollte. Wäre es mir bekannt gewesen, wäre ich wahrscheinlich voller Panik von diesem Ort geflohen. Der Professor war so sehr mit verschiedenen Arbeiten an der Maschine beschäftigt, die seit nahezu zwei Jahren sein ganzes Interesse beansprucht hatte, daß er mein Eintreten zuerst gar nicht bemerkte. Ich nahm ein Buch in die Hände, das in seiner Nähe auf einem Regal lag. Es war »Die Zeitmaschine« von H. G. Wells. Ich mußte über die Absurdität lächeln: einer der bedeutendsten Professoren gab sich mit einem modernen Märchen ab. In diesem Moment wandte sich der Professor um und sah mich, wie ich lächelte. »Ein unmögliches Garn«, bemerkte ich mit einem, Gott sei mein Zeuge, schlecht verhehlten Hohnlächeln.
»Ja, es ist Schriftstellergarn«, antwortete der Professor. »Aber warum sollte es unmöglich sein?«
»Sie wollen doch nicht etwa sagen, in diesem Buch stecke irgend etwas, womit es sich auseinanderzusetzen lohnt?« entfuhr es mir.
»Doch, das tue ich.«
»Aber wie soll man denn in etwas reisen können, das keine Realität besitzt?«
»Was ist denn Realität? Die Erde, auf der wir stehen? Das Meer, auf dem wir fahren? Die Luft, durch die wir fliegen? Besitzen sie irgendeine Existenz außerhalb der Attribute, die unsere Sinne ihnen verleihen?«
»Aber ich kann die Erde anfassen«, wandte ich ein. »Ich kann auch das Meer berühren, aber die Zeit kann ich nicht greifen.«
»Genauso ergeht es Ihnen mit dem Raum«, sagte der Professor nüchtern. »Und dennoch bewegen Sie sich in ihm. Nehmen wir an, Sie wollten von diesem Haus zum Rathaus von Oakland. Sie würden für diesen Fußmarsch fünfzig Minuten Zeit einkalkulieren. Und in diesem Sinne hätte die Zeit durchaus eine ziemlich reale Bedeutung für Sie. Für den Zeitraum von fünfzig Minuten hätten Sie sich in der Zeit bewegt. Würde ich Sie hingegen fragen, warum es nicht möglich sein sollte, sich nicht nur fünfzig Minuten, sondern fünfzig Jahrhunderte in der Zeit zu bewegen, würden Sie mich für verrückt erklären. Ihr Fehler ist der der meisten Leute, mein Junge: der Mangel an ausreichender Vorstellungskraft, um den Verstand über die ausgetretenen Bahnen zu erheben.«
»Vielleicht ist dem so«, gab ich zurück, und der Ärger färbte
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