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Titan 18

Titan 18

Titel: Titan 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brain W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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Bürgermeister. Jedenfalls leisten Sie keinen konstruktiven Beitrag zu unserer Diskussion. Ich stelle den Antrag, Herr Vorsitzender, daß die Bemerkungen meines Vorredners als unzulässig erklärt und aus dem Protokoll gestrichen werden und die Diskussion an dem Punkt wieder aufgenommen wird, wo sie unterbrochen wurde.«
    Jetzt regte sich Jord Fara zum erstenmal. Bis zu diesem Augenblick hatte Fara an der Auseinandersetzung nicht teilgenommen, selbst als sie hitzig geworden war. Aber jetzt verschaffte sich seine mächtige Baßstimme Gehör, die ebenso behäbig wirkte wie seine hundertvierzig Kilo Masse.
    »Haben wir nicht etwas vergessen, meine Herren?«
    »Was?« fragte Pirenne verdrießlich.
    »Daß wir in einem Monat unser fünfzigstes Jubiläum feiern.« Fara besaß die Fähigkeit, selbst die nächstliegenden Platitüden mit großem Aplomb von sich zu geben.
    »Und was ist damit?«
    »Und an jenem Jubiläum«, fuhr Fara behäbig fort, »wird sich Hari Seldons erste Zeitkapsel öffnen. Haben Sie je überlegt, was in der Zeitkapsel sein könnte?«
    »Ich weiß nicht. Routineangelegenheiten. Eine vorgefertigte Gratulationsrede vielleicht. Ich glaube nicht, daß man der Zeitkapsel besondere Bedeutung beimessen muß – obwohl das Journal … « – Und dabei funkelte er Hardin an, der seinen Blick grinsend erwiderte – »sich große Mühe gegeben hat, eine Staatsaktion daraus zu machen. Dem habe ich Einhalt geboten.«
    »Ah«, sagte Fara, »aber vielleicht haben Sie unrecht. Ist es Ihnen nicht in den Sinn gekommen …« – er hielt inne und legte einen Finger an seine runde, kleine Nase –, »daß sich die Zeitkapsel zu einem sehr gelegenen Zeitpunkt öffnet?«
    »Einem sehr un gelegenen Zeitpunkt, meinen Sie«, murmelte Fulham. »Wir haben andere Sorgen.«
    »Andere Dinge, die wichtiger sind als eine Botschaft von Hari Seldon? Nein!« Fara gab sich noch pompöser als sonst, und Hardin musterte ihn nachdenklich. Worauf wollte der hinaus?
    »Tatsächlich«, sagte Fara vergnügt, »scheinen Sie alle zu vergessen, daß Seldon der größte Psychologe seiner Zeit und der Gründer unserer Stiftung war. Das legt doch die Annahme nahe, daß er seine Wissenschaft dazu benutzte, um den wahrscheinlichen Kurs der Geschichte der unmittelbaren Zukunft vorherzubestimmen. Wenn er das getan hat – und das kommt mir sehr wahrscheinlich vor –, dann hat er, ich wiederhole, doch ganz bestimmt eine Möglichkeit gefunden, uns vor Gefahren zu warnen und vielleicht auch eine Lösung vorzuschlagen. Die Enzyklopädie war ihm sehr teuer, wissen Sie.«
    Ein paar der Anwesenden nickten nachdenklich. Aber Pirenne zerstreute die aufkommenden Zweifel. »Nun, nun, ich weiß nicht. Die Psychologie ist eine große Wissenschaft, gewiß, aber – ich glaube, im Augenblick sind keine Psychologen unter uns. Mir scheint, wir bewegen uns da auf sehr unsicherem Boden.«
    Fara wandte sich zu Hardin. »Haben Sie nicht unter Alurin Psychologie studiert?«
    Hardin antwortete halb verträumt. »Ja. Aber ich habe mein Studium nie abgeschlossen. Ich konnte mit der Theorie nicht viel anfangen. Ich wollte Psychologie‐Ingenieur werden, aber dazu fehlten uns die Möglichkeiten, also habe ich das Nächstbeste getan – mich der Politik zugewandt. Praktisch ist das das gleiche.«
    »Nun, was halten Sie von der ersten Zeitkapsel?«
    Und Hardin erwiderte vorsichtig: »Ich weiß nicht.«
    Während der restlichen Zeit der Sitzung sagte er kein Wort – obwohl das Gespräch sich wieder dem Kanzler des Imperiums zuwandte.
    Genauer gesagt, er hörte nicht einmal zu. Man hatte ihn auf eine neue Spur gesetzt, und die Dinge begannen, langsam Form anzunehmen.
    Und der Schlüssel dazu war die Psychologie. Dessen war er sicher.
    Er versuchte verzweifelt, sich an die psychologischen Theorien zu erinnern, die er einmal gelernt hatte – und damit wurde ihm eines gleich von Anfang an klar.
    Ein großer Psychologe, wie Seldon einer gewesen war, konnte die menschlichen Emotionen und Reaktionen hinreichend entwirren und ausdeuten, um die historische Entwicklung der Zukunft, wenigstens in groben Zügen, vorhersagen zu können.
    Und das bedeutete – hm, hm hm!
    Lord Dorwin schnupfte. Er trug sein Haar lang und in wohlgeordneten Locken, die ganz offensichtlich künstlich waren; hinzu kam ein Paar flauschiger, blonder Koteletten, die er liebevoll zu streichen pflegte. Dann pflegte er in überaus präzisen Sätzen zu sprechen und »st« klang bei ihm immer wie »s‐t«.
    Im Augenblick

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