Titan 22
heraufbeschwören, daß irgendein schwachsinniger General oder ein hirnloser Politiker anfängt, damit nach unseren Nachbarn zu werfen. Und jetzt ist Gaffey eine friedliche Einsatzmöglichkeit für die Bombe eingefallen. Siehst du denn nicht, was das bedeutet?«
»Ich fürchte, nein«, sagte Martha.
»Es bedeutet, daß wir die verdammten Bomben für etwas anderes als den Selbstmord gebrauchen können – denn wenn das anfängt, dann ist es das Ende der Menschheit. Aber es gibt auf der ganzen Welt Ölschiefer– und Gasschieferablagerungen. Und wenn wir die Bomben dafür benutzen können, um die Menschheit ein Jahrhundert lang mit Brennstoff zu versorgen, ganz zu schweigen von den chemischen Nebenprodukten, dann könnte sein, daß wir auf die Weise eine Möglichkeit finden, diese widerlichen Bomben loszuwerden.«
»Oh, das glaubst du doch selbst nicht«, schnaubte Martha.
»Doch. Ganz bestimmt.«
Und ich glaube, das tat ich auch. Ich sah mir die Pläne an, die Gaffey und seine Kollegen ausgearbeitet hatten, und konnte keinen Fehler daran finden. Wenn das Loch richtig verstopft wurde, würde es keinen Fallout geben. Das wußten wir, und wir besaßen auch die technischen Möglichkeiten, um das Loch zu stopfen, denn wir hatten das bei mindestens zwanzig unterirdischen Explosionen bewiesen. Die Erschütterung würde belanglos sein. Das Öl würde sich trotz der Hitze nicht entzünden. Und die Einsparungen würden trotz der Kosten der Atombomben gigantisch sein. Gaffey deutete sogar an, daß an einer Übereinkunft zwischen der Regierung und Thunder Inc. gearbeitet wurde, und wenn diese Vereinbarung wie geplant zum Tragen kam, dann würden die Atombomben Thunder Inc. möglicherweise überhaupt nichts kosten. Das Ganze würde so etwas Ähnliches wie ein Experiment zum gesellschaftlichen Nutzen aller sein.
Schließlich besaß Thunder Inc. keine Ölschiefer-Lagerstätten und war auch überhaupt nicht im Ölgeschäft. Die Firma war einfach ein Dienstleistungsunternehmen mit den entsprechenden Fachkenntnissen und würde gegen entsprechende Gebühr – falls der Vorgang funktionierte – das Öl anderen zur Verfügung stellen. Wie hoch diese Gebühr sein würde, blieb unausgesprochen, aber Max Gaffey schlug vor, ich solle doch sozusagen als Gegenleistung für meine Beratung ein paar Aktien kaufen, nicht nur von Thunder Inc. sondern auch von General Shale Holdings, einer Gesellschaft, die überall in den Staaten Ölschiefer-Lagerstätten besaß.
Mir standen insgesamt etwa zehntausend Dollar an Ersparnissen zur Verfügung und weitere zehntausend in Aktien der American Telephone Company und Regierungsobligationen.
Martha hatte auch ein wenig eigenes Geld, aber das rührte ich nicht an, verkaufte aber, ohne ihr etwas davon zu sagen, meine sämtlichen Aktien und Obligationen. Thunder Inc. stand bei fünf Dollar pro Aktie, und ich kaufte zweitausend davon. General Shale kostete zwei Dollar, und ich kaufte viertausend Anteile. Ich sah nichts Unmoralisches – so wie man die geschäftliche Moral kalkulierte – in der Arbeitsweise von Thunder Inc. Die Beziehung, in der die Gesellschaft zur Regierung stand, war auch nicht anders als die Beziehung verschiedener anderer Firmen, und meine eigene Investition war völlig ehrenwert und gradlinig. Ich besaß nicht einmal geheime Informationen, denn der Atombomben-/Ölschiefer-Vorschlag war weithin publiziert, wenn auch kaum ernstgenommen worden.
Schon vor der ersten Testexplosion stiegen die Aktien von Thunder Inc. von fünf auf fünfundsechzig Dollar das Stück. Meine zehntausend Dollar vermehrten sich auf einhundertdreißigtausend, und das verdoppelte sich ein Jahr später noch einmal. Die viertausend Aktien an General Shale stiegen auf achtzehn Dollar die Aktie, und so wurde aus einem mäßig armen Professor ein mäßig reicher Professor. Als sie schließlich zwei Jahre, nachdem Max Gaffey das erstemal an mich herangetreten war, die erste Atombombe in einem Schacht zündeten, den man in den Ölschiefer gebohrt hatte, hatte ich die einfachen Ängste der Armen aufgegeben und mir eine ganz neue Art zugelegt, die für die obere Mittelklasse maßgeschneidert war. Wir wurden eine Familie mit zwei Automobilen, und Martha schloß sich mir etwas widerstrebend auf der Suche nach einem größeren Haus an. In dem neuen Haus kamen Gaffey und seine Frau zum Abendessen, und Martha bewaffnete sich mit zwei steifen Martinis. Dann war sie ziemlich höflich, bis Gaffey anfing, vom allgemeinen
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