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Titanen-Trilogie 01 - Das Erbe der Titanen

Titanen-Trilogie 01 - Das Erbe der Titanen

Titel: Titanen-Trilogie 01 - Das Erbe der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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und ging weiter. Dummerchen war bei ihm geblieben und schien sich nicht einmal schlecht zu fühlen. Sos schöpfte mit der Hand das weiße Pulver und stopfte es als Wasserersatz in den Mund. Das Zeug zerschmolz zu nichts und machte Wangen und Mund gefühllos. Als es Nacht wurde, stapfte er durch hohe Schneewächten und mußte sich vorsehen, um nicht in tückische Spalten zu tappen, die unter der glatten Oberfläche verborgen waren.
    Er konnte keine geschützte Stelle mehr finden. Er legte sich auf die Seite, drehte dem Wind den Rücken zu und fühlte sich in seiner Vermummung ganz wohl. Dummerchen hockte zitternd neben seinem Gesicht. Plötzlich wurde ihm klar, daß der Vogel hier keine Nahrung mehr fand. Nicht hier im Schnee. Hier gab es keine lebenden Insekten mehr.
    Er grub eine Handvoll Brot aus dem Proviant und hielt einen Krümel an Dummerchens Schnabel. Das Tier zeigte keine Reaktion. »Du wirst verhungern«, sagte Sos besorgt. Er sah, daß das Gefieder des Vogels bebte. Schließlich zog er den linken Handschuh aus, nahm den Vogel auf die nackte warme Handfläche und schützte ihn mit der rechten, behandschuhten Hand. Im Schlaf mußte er achtgeben, um den zarten Körper nicht zu zerdrücken.
    Er wachte ein paar mal auf, als ihm kalte Windstöße ins Gesicht bliesen und durch seine Kleider drangen. Seine Linke blieb unbeweglich.
    Am Morgen schien Dummerchen wohlauf zu sein, aber Sos wusste, das konnte nicht von langer Dauer sein. Der Vogel war nicht für Schnee und Kälte geschaffen. Sogar seine Färbung passte nicht dazu. »Flieg wieder hinunter«, mahnte er ihn. »Hinunter! Dort ist es warm. Insekten!« Er schleuderte den kleinen Körper in die Luft - ohne Erfolg. Dummerchen breitete die Flügel aus, kämpfte heldenhaft gegen die kalte Luft und flog weiter bergauf.
    Als Sos den Vogel wieder in die Hand nahm und sich zum Weiterklettern anschickte, fragte er sich, ob diese irregeleitete Treue nicht närrischer war als Sols Entschluß, eine Tochter, die er nicht gezeugt hatte, zu behalten. Eine Tochter? Oder war es nur ein stures Beharren auf einem alten Ehrenkodex, der bereits grausam verletzt worden war? Menschen waren irrationale Geschöpfe. Warum nicht auch Vögel? Wenn die Trennung zu schwer war, würden sie eben gemeinsam sterben.
    Am vierten Tag kam Sturm auf. Sos ging weiter. Sein Gesicht war fast starr vor Kälte. Sos hatte eine Schneebrille, die er jetzt aufsetzte; doch Nase und Mund blieben unbedeckt. Als er die Hand ausstreckte, entdeckte er statt seines natürlichen Bartes einen Eisbart. Er versuchte ihn abzubrechen, wusste aber, daß es umsonst war. Es würde sich sofort ein neuer bilden.
    Der Wind drang schneidend bis auf seine Haut. Vor kurzem noch hatte er geschwitzt und warme Sachen als lästig empfunden. Jetzt schien sich die Feuchtigkeit sofort in Eis zu verwandeln und an seinem Körper zu haften. Er hatte offenbar einen Fehler gemacht. Er hätte Kleidung und Tempo so abstimmen müssen, daß er gar nicht erst in Schweiß geraten wäre. Die Feuchtigkeit hatte nicht entweichen können und gefror natürlich. Diese Lektion kam zu spät.
    Das war also der Tod des Berges. In den oberen Regionen im Schneesturm erfrieren oder in eine versteckte Spalte stürzen ... Er hatte zwar den Boden immer genau beobachtet, war aber bereits mehrere Male ausgerutscht und hingefallen. Bis jetzt hatte er dabei Glück gehabt. Die Kälte kroch ihm durch die Kleider und sog ihm die Lebenskraft aus den Poren. Wie das enden würde, war klar. Wenn man den Geschichten Glauben schenken konnte, war noch keiner vom Berg zurückgekehrt. Noch nie hatte man einen Körper gefunden oder gar gerettet. Kein Wunder!
    Doch war das nicht der Berg, wie er sich ihn nach den Berichten vorgestellt hatte. Nach dem Metallkonglomerat am Fuße - vor wie vielen Tagen? - hatte er nichts Auffälliges mehr gesehen: Keine scharfen Kanten mehr, keine nackten Felsen oder trügerische Eisbrücken. Bei klarem Himmel hatte er auch keine anderen Bergketten oder Pässe entdecken können. Diese Bergflanke hatte, stetig ansteigend, aufwärts geführt. Sie erinnerte ihn an eine umgestülpte Schale. Nur die Kälte stellte eine echte Gefahr dar.
    Auf keinen Fall gab es hier ein Hindernis für denjenigen, der sich entschloß, wieder kehrtzumachen. Es hatte doch bestimmt Leute gegeben, die aufgegeben hatten und an den Fuß des Berges zurückgekehrt waren. Leute, die sich entschlossen, weiterzuleben oder einen weniger mühsamen Weg einzuschlagen. Er selbst konnte

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