Titanen-Trilogie 02 - Die Kinder der Titanen
im Ring zusammentrafen, und der Eid wäre nichtig gewesen. Nicht einmal der Kampf um den Berg wäre davon beeinflußt worden, da Bob sich ja an das Abkommen nicht gehalten hatte. Was für eine Ironie!
Var sah auf und entdeckte, daß der Herr in Reichweite vor ihm stand. Aber natürlich würde der Waffenlose niemals außerhalb des Ringes zuschlagen, schon gar nicht gegen jemanden, der diese Konvention teilte. Und hätte er den Kodex verletzen wollen, dann hätte er etwas nach ihm werfen können. Doch das Fehlen des Daumens hinderte ihn wohl daran.
»Ich hätte dich fragen sollen«, sagte der Namenlose. »Schon am Tage, nachdem du fortgingst, wußte ich, daß ich falsch gehandelt hatte – denn du hattest ja nur getan, was ich dir auftrug. Es war der Berg Helicon, der uns beide betrog. Und der auch Sol betrog, denn er wußte nicht, daß man sein Kind geschickt hatte. Er wußte es nicht, ehe er von ihrem Tod erfuhr.«
Var fiel ein, daß Soli gesagt hatte, ihre Eltern wären ahnungslos gewesen, denn Bob sage nie die Wahrheit, und sie hätte nur mitgemacht, weil er das Leben ihrer Eltern bedrohte. Ein abscheulicher Handel – die Rache des Herrn der Unterwelt für den Angriff der Nomaden. »Und er ist gekommen, sie zu rächen?«
»Um sie zu begraben. Gerächt hatte er sie schon, als er Bob tötete und Helicon in Brand setzte. Sosa verschwand in diesem Gemetzel. Ihm blieb nur mehr übrig, Soli zu begraben, doch er konnte sie nicht finden. Und er kam, und wir trafen einander und beredeten alles. Und du warst schon wieder weg mit deiner… Schwester.«
Sie vergeudeten Zeit. »Komm mit«, sagte Var. »Sie ist in – in einer Schule. Es wird nicht ohne Komplikationen abgehen.«
Und es war, als hätte es nie Zwist zwischen ihnen gegeben. Sie kamen alle: Der Herr, Sol und vier andere Gladiatoren von sehr unterschiedlichem und groteskem Äußeren. Var führte sie durch die Lücke im Zaun, vorbei an den Tierkäfigen, bereit, die Tiere freizulassen, falls es Alarm gäbe. Fast enttäuschte es ihn, daß alles glattging. Sie kletterten auf den Laster, und Var startete ihn per Kurzschluß.
*
Kaiser Ch’in war mit seinem Gefolge eingetroffen, als die Wagenladung voller Gladiatoren sich bemerkbar machte und in verdächtiger Nähe des Schulgeländes parkte. Überall sah man Uniformierte. Ein Frontalangriff wäre der reinste Wahnsinn gewesen. Und man konnte ja nicht wissen, wie Soli sich zu alldem stellen würde.
»Sie wollte gar nicht auf die Schule?« fragte der Herr. »Ihr genügte es, mit dir auf Wanderschaft zu sein?«
»Das hat sie gesagt«, mußte Var gestehen. »Vor einem Jahr. Aber seither ist sie erwachsen geworden… «
»Warum sollte deswegen die Situation anders sein? Möchtest du wieder mit ihr umherziehen?«
Er wurde von schrecklicher Ungewißheit erfaßt. »Ich weiß es nicht.«
»Von diesem Ch’in habe ich gehört. Handelt es sich nicht um eine sehr günstige Heirat?«
»Ja.«
»Aber du möchtest nicht, daß es dazu kommt?«
Vars Verwirrung stieg. »Ich möchte mit ihr reden. Wenn sie Ch’in wirklich heiraten möchte – «
Der Herr brummte: »Wir werden sie dem Test unterziehen.«
Sie verbrachten die Nacht auf dem Laster im Wald. Die chinesischen Gladiatoren machten sich zielstrebig auf die Suche nach Nahrung und Treibstoff und genossen die Lage ungemein. Der Herr befragte Var über jeden Aspekt seines Zusammenseins mit Soli, während Sol, schweigsam zuhörte. Var spürte, daß er gar nicht wußte, was in den Köpfen dieser Männer vor sich ging. Was Soli betraf, so waren ihre Reaktionen undurchschaubar. Möglich, daß von ihnen kein Mitgefühl mit seinen Sehnsüchten und Träumen zu erwarten war.
Und er mußte feststellen, daß er seine Handlungsfreiheit verloren hatte, seitdem er diese Männer freigelassen hatte. Der Herr beherrschte die gesamte Gruppe, und ließ seine Überlegenheit leuchten. Var aber erkannte in diesem Mann die Eigenschaften wieder, die Soli zu dem machten, was sie war und was sie für ihn eigentlich so anziehend gemacht hatte – und doch leugnete der Herr, sie gezeugt zu haben. Also wollte die Verwirrung kein Ende nehmen.
Var spähte klopfenden Herzens vom Laster hinunter, während die anderen sich davon machten, um bei der Abschlußfeier zuzusehen. Vibrierend vor Ungeduld, endlich aktiv zu werden, war er doch hilflos und abhängig von den Motiven anderer und seiner eigenen Beweggründe nicht sicher.
XIX
Soli schlief unruhig. Ihr ganzes Leben lief noch einmal vor ihr ab in
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