Titanen-Trilogie 03 - Der Sturz der Titanen
vielleicht waren es sogar diese drei Dinge, die bewirkt hatten, daß er sich seiner selbst wieder bewusst geworden war. Erstens stand er nun in dem Alter, das Neqa gehabt hatte. Zweitens war er der Vollendung seiner Rache nicht ein Stück näher gekommen. Und drittens: die wahren Schuldigen waren nicht Yod und sein Stamm, sondern die ganze Situation, die bewirkt hatte, daß der Ring-Codex sich auflöste. In den alten Tagen war keine Frau belästigt worden, und kein Mann hatte kämpfen müssen, außer er tat es freiwillig.
Als Folge davon kam er zu der Einsicht, daß die einzige Rache, die wahre Rache nicht zerstörend, sondern aufbauend wirken musste. Weiteres Töten würde ihm gar nichts einbringen. Er wollte nicht mehr die Männer ausmerzen, die ihm all das angetan hatten, sondern er wollte die Umstände, die dazu geführt hatten, ausmerzen.
Das bedeutete, daß Helicon wieder aufgebaut werden musste.
Gut möglich, daß diese Gedanken in seinem Unterbewusstsein schon lange geschlummert hatten. Ein so komplizierter und ausgeklügelter Plan konnte nicht von heute auf morgen in ihm entstanden sein. Plötzlich hatte er wieder eine Mission vor sich, und der Schmerz, den die Erinnerung an Neqa in sich barg, verebbte. Das Blut an seinem Schwertarm erfuhr eine gewisse Ehrenrettung. Sein Drang zu töten hatte nachgelassen, denn er hatte die Quellen, die diesen Drang speisten, versiegen lassen. Das Bedürfnis, Frauen zu beeindrucken, hatte er nicht. Für ihn hatte es nur die eine gegeben. Einen Stamm brauchte er nicht, auch kein Imperium, denn er wusste längst, was es hieß auf der Höhe der Macht zu sein, und er war dieses Gefühls überdrüssig. Er hatte nun seine Mission, und das genügte ihm.
Mit dem Wiederaufbau von Helicon würde auch der Ring-Codex wieder zum Leben erwachen. Es würde Nachschub für die Irren geben, die ihrerseits wiederum die Herbergen versorgten und dafür mit sanftem Nachdruck ihre Forderungen durchsetzten. Die Nomaden würden sich wieder zusammenfinden, die Welt, die er gekannt hatte, würde wiederkehren. Vielleicht würde es sehr lange dauern, Jahrzehnte womöglich. Aber die Zeit würde mit Sicherheit kommen. Und wenn der Ring-Codex wieder auflebte, hatten Gesetzlose wie Yod keine
Chance. Frauen würden sich frei bewegen können, von einer Herberge zur anderen, von einem Armreif zum anderen, unversehrt. Der Ring-Codex bedeutete Zivilisation, und Helicon war imstande, die Forderungen des Codex durchzusetzen.
Als erstes suchte er die Ruinen des Berges auf. Er drang durch Dicks des Chirurgen Eingang ein und räumte die Gebeine und die Asche aus. Er baute die zerstörten Ausgänge wieder aus, so gut er konnte und sicherte sie ab. Er räumte das gesamte Labyrinth aus und machte es, theoretisch wenigstens bewohnbar. Er ging langsam und sorgfältig zu Werk, legte Pausen ein und ass sich satt und ging auf Vorratssuche. Er stellte fest, daß eine erstaunliche Menge nicht verbrannt war. Wahrscheinlich hatte das Feuer nicht sehr lange gewütet. Unter einer dichten Schicht von Asche lagen die Einrichtungen von Helicon nahezu unversehrt.
Neq suchte keine Hilfe, obwohl seine Metallextremitäten für diese Arbeiten nicht geeignet waren, und er viel länger brauchte, als er sich vorgestellt hatte. Es war sehr mühsam, die endlosen Gänge sauberzumachen, indem er mit seinem Schwert einen Stofflappen weiterschob, und seine Greifklauen waren höchst ungeeignet um in neue Türen Scharniere einzusetzen. Aber dies war der Ort, an dem er gemeinsam mit Neqa geweilt hatte, wenn diese Zeit auch nur kurz und schrecklich gewesen war. Helicon war von ihrer Gegenwart durchdrungen und gesegnet.
Als er fertig war, war auch ein Jahr vergangen.
Und nun machte er sich auf den Weg zu den Irren.
Die kleineren Vorposten der Irren waren schon lange zerstört, aber das festungsähnliche Verwaltungsgebäude von Dr. Jones war unversehrt geblieben. Und auch der alte Irren-Anführer war da, unverändert. Er sah aus, als wäre er niemals jung gewesen und würde nie älter.
In seinem Vorzimmer aber sass kein Mädchen mehr.
»Wie habt Ihr überleben können ohne Verteidigungsanlagen?« fragte Neq. »Seit ich hier war, sind vier Jahre vergangen. Keine guten Jahre. Die Menschen überleben nur mit Hilfe des Schwertes. Als ich aber hier eindrang, da stellte mich niemand. Diese Anlage hier könnte jeder überfallen und plündern.«
Jones lächelte. »Hätte ein Wachposten dich am Eindringen
gehindert?« Und als Neq
Weitere Kostenlose Bücher