Titanen-Trilogie 03 - Der Sturz der Titanen
jetzt -
Ich bin selbst schuld. Vor drei Tagen kam sie zu mir, in Tränen aufgelöst, und erzählte mir eine Geschichte, die ich erst gar nicht glauben wollte. Bob wolle Sol und Sosa, ihre Helicon-Eltern, töten, wenn sie nicht gewillt sei, eine gefährliche Mission außerhalb zu übernehmen. Sie behauptete, sie hätte ihm Stillschweigen geloben müssen, ansonsten würden sie auf jeden Fall getötet - aber irgendeinem müsse sie es sagen. Ich versprach, daß ich es nicht weitersagen würde, und hielt es insgeheim für das Phantasiegebilde einer jungen Seele. So sagte ich ihr, daß sie gewiss alles missverstanden hätte, daß Bob nur das Beste für Helicon wolle, und daß er gemeint hätte, das Leben ihrer Eltern könne in Gefahr sein wie unser aller Leben, seitdem die Nomaden uns belagerten. Ich riet ihr, sie solle sich mit der Geheimmission einverstanden erklären, denn es handele sich dabei gewiss (falls das alles nicht ihrer Einbildung entsprungen war) nur um ein Mittel sie vor dem Eintreten einer weiteren Krise vom Schauplatz des Geschehens zu entfernen. »Unsere Kinder sind unser höchstes Gut« sagte ich ihr.
Und jetzt ist sie tot, und ich beklage meine hoffnungslose Naivität. Bob schickte sie zum Mount Muse in einen Wettkampf mit dem Nomadenkrieger, und natürlich hat dieses Ungeheuer sie getötet. Die Nomaden feiern nun ihren Sieg. Wir können ihr Gegröle bis hierher hören. Var der Stock! rufen sie - aber ich glaube nicht, daß sie davon wissen, daß ihr heißgeliebter Held, abgeschirmt von ihren Blicken auf dem flachen Plateau ein Dutzend Meilen südlich von hier gegen ein achtjähriges Mädchen kämpfte.
Verdammtes Versprechen, das ich gegeben hatte! Ich habe Sosa weitergesagt, was ich von Soli erfahren hatte. Ich musste es tun, denn Sosa ist die Mutter des Mädchens, viel mehr Mutter, als diese Nomadin es je sein konnte. Und Sosa hätte es ohnehin bald erfahren - weniger schonend. Gewiss wird sie es Sol sagen, und was dann geschieht, darüber möchte ich gar nicht nachdenken. Wäre ich als Krieger in eine solche Situation gestellt, dann wäre mein Vorgehen sicher alles andere als sanftmütig.
Ich werde Gift nehmen.
Nun trat eine Pause ein.
»Var der Stock - war er der Nomadenkrieger? Hat er Solas Kind getötet?«
»Ausgesehen hat es danach. An Sols Stelle -«
»Ich bin Krieger! Ich hätte Vars Schädel im Wald aufgespießt, damit alle ihn sehen können. Und daneben Bobs Schädel. Die Schädel aller Schuldigen. Und -«
Dr. Jones stützte die Hände in seiner ihm eigenen Art dachartig gegeneinander. »Und. . .?«
»Und hätte nichts damit erreicht«, sagte Neq nachdenklich. »Rache ist nicht die richtige Antwort. Rache ist einfach Rache. Sonst nichts. Und sie bringt nur weiteres Leid mit sich.«
Dr. Jones nickte. »Ich glaube wirklich, du bist imstande, Sols Motive damals und auch später zu verstehen. Er war trotz seines jahrelangen Aufenthalts in Helicon Nomade durch und durch. Glaubst du, er hat die brennbaren Vorräte angezündet?«
»weiß nicht«, antwortete Neq. »Ja, ich glaube, unten war Benzin gelagert. Und anderes brennbares Zeug. Ich glaube, er hat alles in Brand gesetzt. Im Namen der Rache. Diese Leichen da unten waren total verkohlt!«
Verkohlt war eine gelinde Untertreibung.
»Ob er später noch zurückgekommen ist?«
»Um sich die Folgen der Zerstörung anzusehen, als er merkte, daß er damit nichts erreicht hatte? Nein, er ist gewiss nicht zurückgekommen . . .«
»Und wenn wir Helicon neu aufbauen - woher sollen wir die Sicherheit nehmen, daß etwas Ähnliches nicht wieder geschieht?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Neq der Wahrheit entsprechend.
»Dann mache dich auf den Weg und versuche, es herauszufinden«, sagte Dr. Jones.
»Sie haben mir versprochen zu helfen, wenn ich Ihnen diese Leute brächte!«
»Wir werden helfen. Aber welchen Sinn hätte es, Helicon aufzubauen, wenn dieselben Kräfte, die es zerstörten, es von neuem vernichten wollen? Die menschlichen Kräfte, meine ich.«
Neq wusste darauf keine Antwort.
»Die übrigen Namen auf der Liste kannst du vergessen«, erklärte Dr. Jones freundlich. »Der harte Kern genügt uns. Suche statt dessen nach Sol, nach Sosa und Var - falls Var Sols Rache entgehen konnte. Bringe in Erfahrung, ob Sos der Waffenlose damit direkt zu tun hatte. Vielleicht steckt hinter seinem Verschwinden eine besondere Bedeutung. Bringe die Wahrheit ans Licht - und denk dir eine Möglichkeit aus, wie wir eine Wiederholung der
Weitere Kostenlose Bücher