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Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titel: Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Beesley
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Skizze Seitenriß], nämlich daß die Maschinenanlage
in den Abteilungen 3, 4 und 5 aufgestellt waren [von achtern gezählt]. Als die Titanic sich aufrichtete, würden sie sich mit ziemlicher Sicherheit aus ihren
Befestigungen gelöst und die anderen Abteilungen durchbrochen haben.
    Kein
Phänomen, wie es in einigen amerikanischen und englischen Zeitungen erschien,
daß das Schiff auseinanderbrach und die zwei Teile den Meeresboden erreichten.
Ich sah diese Zeichnungen in ihrer Entstehung an Bord der Carpathia und
sagte, daß sie keine Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit hätten.
    Als der Krach
vorbei war, stand die Titanic aufrecht wie ein Komma, wir konnten sie
nur noch als Heckteil erkennen, und etwa 150 Fuß Rumpf standen als undeutlich
sichtbarer Fleck in der Dunkelheit gegen den sternenübersäten Himmel, und in
dieser Position blieb sie für ein paar Minuten – ich denke an etwa fünf
Minuten, es können aber auch weniger gewesen sein. Dann, zunächst hinten etwas
tiefer sinkend, nehme ich an, glitt sie langsam nach unten und tauchte schräg abwärts.
Die See schloß sich über ihr, und wir hatten das Letzte von dem wundervollen
Schiff gesehen, auf welches wir uns vor vier Tagen in Southampton eingeschifft
hatten. An der Stelle des Schiffes, auf das sich alle unsere Interessen so
lange konzentriert hatten und zu dem wir oft hingeschaut hatten, weil es der
einzige Fixpunkt auf der ganzen See war – an Stelle der Titanic erstreckte
sich nun der Ozean mit seiner grenzenlosen Weite bis zum Horizont, auf- und
abschwingend wie zuvor. Er bot keinen Hinweis an seiner Oberfläche, daß sich
gerade die Wellen über dem wunderbarsten Schiff, das je von Menschenhand gebaut
wurde, geschlossen hatten, und die Sterne blickten genauso herab wie vorher,
und es war genauso bitter kalt.
     
     
    In uns entstand ein starkes
Gefühl der Einsamkeit, wie wir so allein gelassen auf der See waren, ohne die Titanic
– in einem kleinen Boot. Nicht, daß es uns schlecht erging – außer, daß es
kalt war –, noch daß wir uns in Gefahr befanden – wir glaubten es jedenfalls
nicht, aber die Titanic war nicht mehr bei uns.
    Wir warteten mit dem Bug
voraus auf die Welle, von der wir annahmen, daß sie kommen müßte. Jene Welle,
von der wir von der Mannschaft so viel gehört hatten und welche sich nach ihren
Aussagen über Meilen ausbreiten könnte; aber sie kam niemals. Und obwohl die Titanic keine Welle erzeugte als sie zum Grund ging, hinterließ sie uns etwas, daß
wir gerne für immer vergessen würden; etwas, auf welches die Einbildungskraft
besser nicht bestehen sollte – die Schreie der vielen hundert Mitpassagiere,
die im eiskalten Wasser um ihr Leben kämpften.
    Ich wollte
zunächst jedwede Erinnerung an diesen Aspekt des Unglücks in diesem Buch
weglassen, aber aus zwei Gründen ist das nicht möglich. Erstens, daß es wegen
historischer Belange erzählt werden sollte; und zweitens, daß diese Schreie
nicht nur ein Ruf nach Hilfe in schrecklicher Gefahr waren, in der sich die
Versinkenden befanden, ein Appell – der nie beantwortet werden konnte. Es war
aber auch ein Appell an die ganze Welt, die nie wieder solche Bedingungen von
Angst und Hoffnungslosigkeit zulassen dürfte; ein Aufschrei, der zum Himmel
emporsteigt wegen der großen Ungerechtigkeit seiner eigenen Existenz; ein
Schrei, der seine eigene Abschaffung verlangt! Wir waren äußerst überrascht,
diese Schreie überhaupt zu hören, als sich die Wellen über der Titanic geschlossen
hatten; wir hatten keinerlei Geräusche vernommen, seit wir von ihrer Seite
gewichen waren, und, wie schon erwähnt, wir wußten nicht, wie viele Boote oder
Flöße sie mitführte. Die Besatzung hat es vielleicht gewußt, vielleicht auch
nicht. Wir wären nicht erstaunt gewesen zu erfahren, daß alle in Sicherheit
wären durch irgendwelche Rettungsgeräte.
    Wir waren so
unvorbereitet auf diese Schreie der Versinkenden, die über die See
herüberhallten, daß sie eine unsinnige Reaktion auslösten. Wir versuchten,
zurückzurudern und die Ertrinkenden noch zu retten, obwohl wir wußten, daß das
unmöglich war. Das Boot war vollbeladen bis zu den Stehplätzen, und umzukehren
hieße, uns alle der Gefahr des Kenterns auszusetzen; und so befahl der
Heizer-Kapitän seiner Mannschaft, von den Schreien fortzurudern. Wir versuchten
zu singen, um nicht an sie zu denken, aber in dieser Situation hatten wir dazu
keine Kraft in unseren Herzen.
    Die Schreie,
die zunächst laut und unzählig waren,

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