Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte
Glimmen verstärkte sich, und
dann erstarb das Licht wieder.
Der Heizer,
der die ganze Nacht unter dem Podest des Steuerruders gelegen hatte, setzte
sich abrupt wie nach einem Traum auf, der Übermantel hing lose von seinen
Schultern. Ich kann ihn vor mir sehen, zur See hinausstarrend, von wo der Lärm
herkam, und ihn rufen hören: »Das war eine Kanone!« Aber es war keine, es war
eine Rakete der Carpathia, wie wir bald darauf erfahren sollten. Aber
wir wußten nun, daß dort jemand war, gar nicht so weit fort, zu unserer Hilfe
herbeieilend und eine vorläufige Botschaft signalisierend, unseren Herzen Mut
machend bis zum Augenblick der Ankunft. Mit angespannten Nerven, die
aufmerksamen Augen über den Horizont gleiten lassend, die Ohren geöffnet auch
für den leisesten Laut, so warteten wir in der absoluten Stille dieser ruhigen
Nacht. Und dann kroch ein Licht an der Stelle über die See, wo auch der Blitz
gesehen wurde, und unmittelbar danach ein zweites Licht. Nach einigen Minuten
standen beide gut sichtbar über dem Horizont und blieben übereinander! Aber wir
waren schon oft getäuscht worden, und so warteten wir etwas länger, bevor wir
uns eingestanden, daß wir in Sicherheit sein würden. Die Lichter kamen schnell
näher, so schnell, daß es so aussah, als würde es nur ein paar Minuten gedauert
haben, zwischen dem ersten Sichten und dem Verbleiben über dem Horizont, aber
es muß wohl doch etwas länger gewesen sein. Wir wußten nicht, welcher Art das
Schiff wohl wäre, aber wir sahen es rasch näher kommen, und wir suchten nach
Papier oder Lumpen – irgend etwas, das brennen würde (wir waren sogar darauf
vorbereitet, unsere Mäntel anzuzünden, falls es nötig sein sollte). Eine hastig
zusammengedrehte Papierfackel, herausgerissen aus den Briefen von irgend
jemandem, wurde angezündet und über den Kopf des Heizers an der Ruderpinne
gehalten.
Das schwache
Licht beschien flackernd die Gesichter der Bootsinsassen, leuchtete in
unterbrochenen Linien ein paar Yards über das schwarze ölige Wasser (erstmals
wurde ich der Präsenz des schrecklichen Etwas gewahr, das das ganze Unglück
angerichtet hatte – EIS – ; in kleinen Stücken wie etwa einer Faust, harmlos
auf- und niederschwingend) und versank wieder zurück in die Schwärze, als der
Heizer die brennenden Überreste des Papiers über Bord warf. Hätten wir doch nur
gewußt, daß die Gefahr des Überfahrenwerdens schon vorbei gewesen ist! Ein
Grund dafür war, daß die Carpathia schon ein Rettungsboot gesichtet
hatte, welches die ganze Nacht über ein grünes Licht gezeigt hatte, der erste
Anhaltspunkt unserer Position für die Carpathia. Aber der wahre Grund
steht im Logbuch der Carpathia: – »Gingen mit voller Kraft voraus
während der Nacht; stoppten um 4.00 Uhr wegen eines Eisbergs direkt voraus.«
Das war tatsächlich ein guter Grund! Mit unserer abgebrannten Fackel in die
Dunkelheit zurückgeworfen, sahen wir die Topplichter anhalten und den Retter
eindrehen. Anzeichen einer Erleichterung kam auf, als wir nicht befürchten
mußten, nicht gesehen zu werden und dem aufgewühlten Schraubenwasser ausgesetzt
zu sein. Wir warteten, und er schwang langsam herum und offenbarte sich als
großer Dampfer mit vollständig erleuchteten Bullaugen. Ich denke, als diese
Lichter langsam in Sicht kamen, war es einer der wundervollsten Anblicke, die
wir je erleben durften. Es bedeutete die baldige Befreiung, das war die
wichtigste Botschaft für uns. Wir hatten damit gerechnet, erst am Nachmittag
gerettet zu werden, und nun, nachdem die Titanic erst vor ein paar
Stunden gesunken war, konnten wir schon vor Tagesanbruch aufgenommen werden.
Das schien uns zu schön, um wahr zu sein, und ich denke, es füllten sich so
manche Augen mit Tränen, männliche ebenso wie die von Frauen, als sie wieder
die Lichterreihen übereinander erblickten, die so freundlich zu ihnen über das
Wasser schienen – und »Gott sei Dank« wurde aus tiefstem Herzen überall im Boot
gemurmelt. Das Rettungsboot schwang herum, und die Mannschaft begann ihren
langen Weg zum Dampfer zu rudern. Der Kapitän schlug Lieder vor und begann mit
»Rudert zur Küste, Matrosen«. Die Besatzung nahm den Gesang zitternd auf, und
die Passagiere fielen mit ein, aber ich glaube, eine Strophe war alles, was sie
kannten. Es war einfach zu früh, die Dankbarkeit war zu tief, zu plötzlich und
von einer so überwältigenden Intensität, als daß wir beständig singen konnten.
Erkennend, daß der Gesang nicht
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