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Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titel: Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Beesley
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der
Bullaugen im Heck hochgehoben wurden und die des Bugs versanken; und es war
klar, daß sie sich nicht viel länger halten würde. Der Heizer-Kapitän sagte nun
zu den Ruderern, sie sollten fortrudern, so schnell sie konnten. Zwei Gründe
sprachen dafür, daß das eine richtige Entscheidung wäre: Erstens, wenn sie
sinkt, würde der entstehende Sog die Boote mitreißen. Wenn sie nicht aus
nächster Entfernung direkt heruntergezogen würden, könnte doch die Gefahr
bestehen, von einer Welle überrollt zu werden, die beim Sinken entsteht. Wir
alle wußten, daß unser Boot nicht in der Verfassung war, große Wellen zu
verkraften, zusammengewürfelt wie wir waren und mit ungeübten Ruderern.
    Der zweite
Grund war, daß es möglicherweise eine Explosion geben könnte, wenn Seewasser in
die Kessel gelangen würde und Trümmer vielleicht weit verstreut fliegen
könnten. Und als es dann geschah, passierte nichts von alledem.
    Etwa um 02.15
Uhr waren wir zwischen einer und zwei Meilen weit fort. Es ist zwar schwer für
eine Landratte, Entfernungen auf dem Wasser zu schätzen, aber wir waren nun
eineinhalb Stunden auf dem Wasser, das Boot schwer beladen, die Ruderer
ungeschickt und unser Kurs ungleichmäßig. Mal dem einen, mal dem anderen Licht
folgend, manchmal dem Leuchten eines Sterns, manchmal dem Licht eines Bootes
von Backbord folgend, welches von der Titanic in die entgegengesetzte
Richtung gefahren und an unserem Horizont zu erkennen war, konnten wir
eigentlich nicht sehr weit fortgekommen sein. Um diese Zeit hatte das Wasser
ihre Positionslichter und die Kommandobrücke erreicht, und es sah so aus, als
wäre es nur eine Frage von Minuten, bis sie sank. Die Ruderer waren über ihre
Ruder gebeugt, und alle im Rettungsboot waren regungslos, während wir die Titanic in vollkommener Ruhe beobachteten; einige verschonend, die nicht hinsehen
wollten und ihre Köpfe auf den Schultern anderer vergraben hatten. Die Lichter
leuchteten in der gleichen Helligkeit, aber nicht mehr so viele von ihnen, denn
etliche waren nun unter der Oberfläche. Ich habe mich oft darüber gewundert,
wieso sie die Kabinen weiter beleuchten konnten, wenn ihre Bullaugen schon
unter Wasser waren; aber sie haben es getan. * Und dann, während wir voller Ehrfurcht starrten,
richtete sie sich langsam auf, drehte sich offenbar um ihren Schwerpunkt etwas
weiter hinten als die Mitte, bis sie eine fast vertikale Lage erreicht hatte;
so verharrte sie – bewegungslos! Als sie sich aufschwang, erlöschten plötzlich
ihre Lichter. Jene, die ohne Flackern die ganze Nacht geleuchtet hatten,
blitzten nur noch einmal kurz auf. In diesem Augenblick gab es einen Lärm, den
viele Leute, ich glaube fälschlicherweise, als Explosion beschrieben. Für mich
hat es immer so ausgesehen, daß es nichts anderes war als das Abstürzen der
Maschinenanlage aus ihren Bettungen, die durch die Abteilungen krachten und
alles in ihrem Weg zerschlugen. Teilweise war es ein Röhren, teils ein Ächzen,
teils ein Rascheln und teils ein Krachen, aber es war kein plötzliches Bersten,
wie es bei einer Explosion vorkommt. Es hielt über etliche Sekunden an,
vielleicht fünfzehn oder zwanzig, als die schweren Maschinen in die Tiefe des
Schiffes [nun dessen Bug] herabfielen. Ich nehme an, daß sie durch den Rumpf
schlugen und zuerst versanken, noch vor dem Schiff. Aber es war ein Geräusch,
was noch niemand je zuvor vernommen hatte, und niemand wird sich wünschen, es
je wieder zu hören. Es war verblüffend, überwältigend, als es über das Wasser
zu uns kam. Es war fast so, als ob alle schweren Teile eines Hauses, die man
sich denken kann, über die Treppen vom Obergeschoß aus hinuntergeworfen werden,
sich gegenseitig zerstörend.
     
     
    Es hat verschiedene scheinbar
authentische Berichte gegeben, in denen Explosionen vorkamen; in einigen Fällen
mit hochgeschleuderten Wrackteilen und der Bemerkung, das Schiff wäre in zwei
Teile zerbrochen; aber ich glaube nicht, daß diese Betrachtungen einer
genaueren Analyse standhalten. Erstens waren die Feuer gelöscht worden, und der
Dampf konnte vor ihrem Sinken abgelassen werden, und die Wahrscheinlichkeit
[der Explosion] aus diesem Grund ist sehr gering. Außerdem, wie schon erwähnt,
trat der Lärm nicht schlagartig auf, sondern lang anhaltend – mehr wie ein
Gewitterdonner. Das Zustandekommen des Geräusches, verursacht durch die
zusammenbrechenden Maschinen sollte unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, den
der Seitenriß zeigt [siehe

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