Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte
dem Erkennen, daß ruhig Blut bewahren
absolut notwendig ist – zur eigenen Sicherheit bereit, die Gedanken an Gefahr
so weit wie möglich von sich zu weisen. Außerdem erschien vielen die Szene so,
als sei das Ganze wie ein Traum; so, als würden alle dem Geschehen von einem
sicheren Orte aus zuschauen, und daß jene, die umhergingen oder anderen die
Schwimmwesten umbanden, die Schauspieler auf einer Bühne wären und wir dabei zu
Zuschauern gemacht wurden; daß der Traum bald vorbei wäre und wir aufwachen
würden, und das Bild wäre verschwunden. Viele Menschen haben die gleiche
Erfahrung in Gefahrenmomenten gemacht, und sie war auch wahrnehmbar auf dem
Deck der Titanic. Teilweise erinnere ich mich daran, wie ich es selbst
beobachtete, während ich einem Manne half, seine Schwimmweste anzulegen. Es
erscheint mir ein glücklicher Umstand, daß es so sein kann: fähig zu sein,
solche Eindrücke leidenschaftslos zu überblicken als eine wundervolle Hilfe,
die Angst niederzukämpfen, die mit ihnen einhergeht. Eine beträchtliche
Unterstützung bei der Errichtung dieses Szenariums war sicherlich die Stille der
Umgebung. Es mag überflüssig erscheinen, schon wieder darauf hinzuweisen, aber
ich bin überzeugt, daß es sehr viel damit zu tun hatte, alle ruhigzuhalten. Das
Schiff war bewegungslos; es gab nicht den Hauch eines Windes; der Himmel war
klar, die See wie ein Dorfteich; die allgemeine Atmosphäre war friedfertig, und
jeder an Bord reagierte darauf unbewußt. Aber was die Situation grundsätzlich
unter Kontrolle hielt, waren Eigenschaften wie Gehorsam und die Achtung vor der
Amtsgewalt, jene wesentlichen Charakterzüge der germanischen Rasse. Passagiere
taten, was ihnen von den Offizieren gesagt wurde: Frauen gingen auf das Deck
unter ihnen, Männer blieben, wo sie waren, und warteten geduldig die nächste
Anweisung ab, instinktiv wissend, daß dieses der einzige Weg war, der für alle
an Bord das Beste bedeutet. Die Offiziere führten ihrerseits die Arbeit aus,
die ihnen von ihren Vorgesetzten übertragen worden war, so schnell und
ordentlich, wie es die Umstände zuließen. Die älteren Offiziere waren mit der
Besetzung und dem Herablassen der Rettungsboote beschäftigt, während die
jüngeren in einzelnen Booten mit herabgelassen wurden, um das Kommando über die
abtreibende Flotte zu übernehmen. Ähnliches bei den Ingenieuren ganz unten, den
Musikern, dem Fitneßtrainer; alle führten sie ihre Arbeit aus, so wie sich die
Aufgaben ergaben: ordentlich, ruhig, ohne zu fragen oder aufzuhören, um
nachzufragen, wie es um ihre eigene Rettungsmöglichkeit stünde. Im Vergleich zu
den Passagieren gehorchten Offiziere und Mannschaften einfach nur ihrer
Dienstpflicht, und sie war eher angeboren und nicht das Ergebnis einer
begründeten Einsicht.
Ich hoffe, daß es nicht so
aussieht, als ob ich das Heldentum jener, die dem letzten Abtauchen der Titanic
– als alle Boote fort waren – mutig gegenüberstanden, in irgendeiner Weise
beeinträchtigen wollte. Wenn es so wäre, ist es die Schwierigkeit, eine
Vorstellung adäquat in Worte zu fassen – auszudrücken, daß ihr ruhiger
Heldenmut größtenteils unbewußt, ja anlagebedingt ist, nicht eine Spur von
Wahlmöglichkeiten zwischen zwei Wegen lassend. Alles, was an Deck zu bemerken
war, bevor die Boote abfuhren, legte die oben genannten Folgerungen nahe. Auch
das Zeugnis jener, die mit dem Schiff untergingen und hinterher gerettet
wurden, ist von gleicher Art.
Es ist
unglücklich, daß einige Teile der Presse danach trachten, meist die
individuellen Taten des Heldentums nachzuzeichnen. Das kollektive Verhalten
einer Menge ist von viel größerer Bedeutung für die Welt und ein so viel
wichtigerer Test – wenn es eines Testes bedarf –, wie sich Menschen einer
bestimmten Rasse verhalten. Der Versuch, diese Aktionen der Individuen zu
beschreiben, führt offenbar zu solch falschen Berichten, wie den über Major
Butt, der mit einem Revolver eine Gruppe von Passagieren in Schach gehalten und
sie niedergeschossen hätte, als diese versuchte, die Boote zu stürmen; oder daß
Kapitän Smith durch den Sprechtrichter gerufen haben soll: »Bleibt britisch!«,
um anschließend Selbstmord zusammen mit dem Ersten Offizier Murdoch zu begehen.
Es ist nur ein krankhafter Ausdruck, wenn solche Vorfälle als »mutig«
beschrieben werden. Jedermann weiß, daß Major Butt ein aufrechter Mann war,
aber sein Heldentum wird nicht dadurch erhöht, wenn er – ein
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