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Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte

Titel: Titanic - Wie ich den Untergang ueberlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Beesley
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das Blatt besser zu verkaufen. Das ist die
Wiederholung des gleichen Fehlers in der menschlichen Natur, wie er sich schon
in der Vorsorge der Rettungseinrichtungen an Bord des Schiffes zeigte – das
Fehlen von Rücksichtnahme auf andere. Das Gegenmittel ist das gleiche – ein
Gesetz: es sollte ein kriminelles Vergehen für jedermann sein, absichtliche
Falschmeldungen herauszugeben, die Angst und Kummer verursachen. Die moralische
Verantwortung der Presse ist sehr groß, und ihre Pflicht, das Publikum nur mit
sauberen, einwandfreien Meldungen zu versorgen, ist entsprechend schwer. Wenn
die allgemeine Leserschaft jetzt noch nicht in der Lage ist, die
Veröffentlichung solcher Nachrichten dadurch zu unterbinden, indem sie jene Zeitungen
nicht mehr kauft, die Falschmeldungen drucken, dann muß das Gesetz dahingehend
ausgedehnt werden, daß diese Fälle mit eingeschlossen sind. Verleumdung ist ein
Vergehen, und diese Berichte wiegen schwerer, als jede Verleumdung je sein
könnte.
    Es ist nur
gerecht, hinzuzufügen, daß die Mehrzahl der New Yorker Blätter vorsichtig genug
war, nur von solchen Neuigkeiten zu berichten, die sie rechtmäßig von
Überlebenden oder von Passagieren der Carpathia erhalten hatten.
Manchmal war es übertrieben und manchmal auch gar nicht wahr, aber im Gegensatz
zur vorherigen Berichterstattung muß man zugestehen, daß das meiste ziemlich
richtig war.
    Auf eine
Sache muß noch eingegangen werden: die Verbreitung von Aberglauben, der die Titanic betrifft. Ich vermute, daß kein Schiff je einen Hafen verlassen hat, über
das so viel Unsinn ausgebreitet wurde. Zunächst gibt es keinen Zweifel, daß
viele Leute sich weigerten, auf ihr zu fahren, weil es ihre Jungfernfahrt war,
und dieses ist augenscheinlich ein allgemein verbreiteter Aberglaube. Sogar der
Kassierer des White-Star-Schalters, wo ich meine Fahrkarte buchte, gab zu, daß
das der Grund dafür wäre, die Leute von der Mitfahrt abzuhalten. Eine Anzahl
Reisewilliger hat der Presse mitgeteilt, daß sie daran gedacht hätten, auf ihr
zu fahren, aber aufgrund von bösen Prophezeiungen hätten sie die Passage
widerrufen. Viele bezogen sich auf das Schwesterschiff, die Olympic, und
wiesen auf das Unheil hin, das über ihr lag – ihre Kollision mit der Hawke und
eine zweite Panne, die eine Reparatur nach sich zog und zu einer Verspätung im
Hafen führte, so daß Passagiere sie verließen. Sie prophezeiten größeres
Unglück für die Titanic und sagten, daß sie nicht im Traum daran
dächten, auf diesem Schiff zu reisen. Auch einige an Bord waren auf unerklärliche
Weise verunsichert. Eine Dame berichtete, daß sie nie die Absicht hatte, dieses
Schiff zu nehmen, aber ihre Freunde hätten sich dafür eingesetzt und ihr die
Fahrkarte besorgt; seither hätte sie keine ruhige Minute mehr gehabt. Ein
Freund erzählte mir von jener Überfahrt auf der Olympic nach der
Verspätung, von Southampton ausgehend, und sprach von einem Gefühl der
Schwermut, welches das ganze Schiff umgab; die Stewards und Stewardessen gingen
sogar so weit, daß sie von einem »Totenschiff« sprachen. Übrigens, diese
Besatzung wurde größtenteils auf die Titanic übernommen. Der
Zwischenfall mit der New York im Hafen von Southampton, das Erscheinen
des Heizers im Schornstein in Queenstown, das alles miteinander kombiniert,
macht eine Menge Unsinn aus, den augenscheinlich empfindliche Leute glauben
oder den sie auf jeden Fall besprechen.
    Nachdem die Titanic gesunken war, sind Briefwechsel veröffentlicht worden, in denen ein
Geschäftsträger der White Star Line von jemandem angefleht wurde, das neue [noch
in Bau befindliche] Schiff nicht Gigantic zu taufen, weil das nach einer
»Herausforderung des Schicksals« aussehen könne. Es sieht fast so aus, als
würden wir ins Mittelalter zurückkehren, als Hexen verbrannt wurden, weil sie
schwarze Katzen hielten. Es gibt ebensowenig einen Grund, daß ein schwarzer
Heizer für die Titanic ein schlimmes Vorzeichen sein sollte, wie die
schwarze Katze für eine alte Frau.
    Der einzige
Grund für die Erwähnung dieser dummen Einzelheiten ist der, daß eine
überraschend große Anzahl von Leuten denkt, daß »… irgend etwas schon dran sein
könnte«. Die Wirkung ist diese: Wenn die Reederei und eine Anzahl von Leuten
durchdrungen werden von dem undefinierbaren Schrecken des Unbekannten – ohne
Zweifel die Reste von wilder Furcht, die man nicht versteht –, so hat das eine
unangenehme Ausstrahlung auf die harmonische Arbeitsweise

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