TITANIC-WORLD
nicht anders. Ein Verletzter, eine Tote – diese Bilanz reichte ihr ganz entschieden. Denn nur der Himmel mochte wissen, was als Nächstes geschah, wenn sie weiter schwieg. Ruhelos, sich von einer Seite auf die Andere wälzend, hatte Cecilia hin und her überlegt, wen sie ins Vertrauen ziehen sollte. Craig wäre die naheliegenste Person gewesen. Doch seit ihrem letzten verbalen Zusammenstoß, war das vertrauensvolle Verhältnis – das sie aller privater und beruflicher Kontroversen zum Trotz immer hatten bewahren können – schwer angeknackst. Es war ihr diesmal einfach nicht möglich abzuschätzen, wie er reagieren würde. Ebensowenig wusste sie, wie sie sich verhalten würde, sollte er sie auslachen oder verhöhnen. An Nathan konnte sie sich noch weniger wenden. Schließlich arbeitete sie nicht umsonst seit sechzehn Jahren für ihn, um in dieser Situation nicht zu wissen, dass er ihre Erklärungsversuche erst mit steinerner Miene über sich ergehen lassen und sie dann feuern würde. In Nathan Blakes Imperium gab es keinen Platz für Andersgläubige oder, in ihrem Fall, für Phantasten. Claire kam am ehesten in Frage, da sie ihr wahrscheinlich glauben würde. Aber was konnte ihre Assistentin schon ausrichten? Am naheliegensten war, dass Claire ihr raten würde, Inspektor Parker über ihren Verdacht zu informieren. Letztendlich war es dann auch dieser Gedanke gewesen, der den Ausschlag gegeben hatte.
Jetzt saß Cecilia am Schreibtisch, drehte Parkers Visitenkarte in den Händen und beäugte misstrauisch das Telefon. Die Entscheidung war ihr trotz aller Logik nicht leicht gefallen und ihre Absicht, ihn gleich am Morgen anzurufen, war plötzlich meilenweit entfernt. Denn Cecilia hegte nach wie vor die Befürchtung, dass der Inspektor sie entweder auslachen oder an ihrem Verstand zweifeln würde. Doch je länger sie darüber nachdachte, je mehr wurde ihr bewusst, warum sie das Telefonatwirklich hinaus zögerte. Sie brachte Jonathan Parker mehr Sympathie entgegen, als sie sich bisher eingestanden hatte und sie war sich sicher, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. In den vergangenen Jahren, als die Vorbereitungen für die TITANIC-WORLD liefen, hatte sie so gut wie kein Privatleben gehabt. Jetzt ertappte sie sich bei dem Gedanken, wie schön es wäre, endlich wieder mehr Freizeit zu haben – und einen Teil davon mit Jonathan Parker verbringen zu können.
Ein zaghaftes Klopfen an der Bürotüre riss Cecilia schuldbewusst aus ihren Gedanken. Gleich darauf trat Joe Killingham ein und trat verlegen vor ihren Schreibtisch. Er holte tief Luft und sagte mit einer Stimme, aus der die Besorgnis deutlich heraus zu hören war: „Ich muss dir was erzählen, Cil.“
In der vergangenen Nacht – in der sich Cecilia schlaflos in ihrem Bett wälzte und Craig verzweifelt auf den Anruf des Pathologen wartete, der bestätigen sollte, dass Emily Pearsons Tod eines natürlichen Ursprungs war – machte sich das Team von 2ProtectU-Security zu einem weiteren Rundgang durch die Erlebniswelt bereit. Nach reiflichen Überlegungen war Joe – dem als Teamleiter die Verantwortung oblag – zu dem Entschluss gekommen, seine Kollegen ab sofort zu Zweit auf ihre Runden zu schicken. Er hatte diese Anordnung aus zwei Gründen getroffen: Erstens, weil ihm sein Instinkt sagte, dass hier irgendetwas nicht stimmte und zweitens, weil er neuerdings eine gewisse Nervosität unter seinen Kollegen spürte. Da er nicht ausschließen konnte, dass sich so ein Vorfall, wie Pat ihn erlebt hatte, an anderer Stelle wiederholen würde, wollte er kein Risiko eingehen. Jeder, er selbst eingeschlossen, war finanziell auf den Job angewiesen und Joe stand nicht der Sinn danach, die Arbeitslosenzahlen in England zu erhöhen. Barny Carter war ein guter Unternehmenschef; aber in Dingen, die den geistigen Zustand seiner Mitarbeiter betrafen, verstand er keinen Spaß. Die TITANIC-WORLD bei Nacht war unheimlich genug; auch ohne die Gerüchte der letzten Zeit. Deswegen hatte Joe vor Dienstbeginn seinen Kollegen den Befehl gegeben, dass sie – so lange die Polizei noch keinen konkreten Anhaltspunkt hatte und damit jeder bis auf Weiteres verdächtig schien – paarweise ihre Runden absolvieren mussten. Seine Order wurde zustimmend nickend angenommen, zumal diese Vorgehensweise jeden im Team entlastete. Nur Artie, der Joe aufgrund ihrer langjährigen Zusammenarbeit besser kannte, glaubte den eigentlichen Grund hinter dieser Dienstanweisung zu erkennen. Er fühlte
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