TITANIC-WORLD
Schilderung in der Nacht vom 15. April, als sie steif und fest behauptet hatte, den Untergang der TITANIC mit eigenen Augen angesehen zu haben und an Arties Versicherung, dass er – außer der merkwürdigen Reaktion seiner Kollegin – nichts, rein gar nichts hatte beobachten können. Das Gleiche galt für die Salzwasser-Attacke , wie der Zwischenfall unter den Mitarbeitern mittlerweile nur noch genannt wurde. Auch hier zeigte die Überwachungskamera lediglich das Danach , nicht das Warum ! Und heute? Wiederum sah man nur, dass etwas geschehen war, aber was , dass entzog sich jeder Kenntnis.
Joe wurde jäh aus seinen Überlegungen gerissen, als Cecilia sich verabschiedete. Ganz kurz dachte er daran, ihr Pats Geschichte zu erzählen, doch er entschied sich dagegen. Cecilia sah so abgehärmt aus, dass er ihr nicht noch mehr Sorgen bereiten wollte. Außerdem hatte er Pat versprochen, Schweigen zu bewahren und er wollte sein Wort nicht brechen. Nach dem die Historikerin die Überwachungszentrale verlassen hatte, fragte Artie leise: „Was hälst du von der ganzen Sache, Joe?“
„Tja, es rückt zumindest die Geschichte, die Pat uns vor ein paar Wochen erzählt hat in ein anderes Licht, nicht wahr“, antwortete er zögerlich und fügte dann ein wenig schuldbewusst hinzu: „Ich habe Pat seinerzeit nicht geglaubt. Alles, was sie gesagt hat, klang zu phantastisch. Du weißt schon, Menschen, die aus einem zerborstenen Modell der TITANIC purzeln und langsam dem Meeresgrund entgegen trudeln. Heiliges Kanonenrohr! Ich hab‘ in dem Moment nur gedacht: Jetzt ist es soweit! Pat ist übergeschnappt!“
„Mach‘ dir nix draus“, entgegnete Artie niedergeschlagen und sah seinen Vorgesetzten zerknirscht an. „Ich hab‘ genau das Gleiche gedacht und mir hauptsächlich Sorgen um Pats Zukunft gemacht. Ich kenn‘ dich lange genug, um zu wissen, dass du selbst den fähigsten Kollegen aus dem Team werfen würdest, wenn er seinen Job nicht mehr ordentlich erledigen kann. Und bei Pat hat’s in dem Moment auch wirklich so ausgesehen.“ Für einen Augenblick sahen sie sich in gegenseitigem Verständnis an, bis Artie erneut das Wort ergriff und leise sagte: „Ich hoffe, du zweifelst jetzt nicht an meinem Geisteszustand, Joe – aber mit der TITANIC-WORLD stimmt was nicht.“
Joe antwortete nicht, weil er einfach nicht wusste, was er darauf erwidern sollte. Das in der Erlebniswelt irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging – ja, auf den Gedanken war er auch schon verfallen. Aber, was es war, dass konnte er beim besten Willen nicht sagen. Doch bevor sich seine Gedanken erneut im Kreis drehen konnten, klopfte er Artie nur kollegial auf die Schulter und sagte mit britischem Humor: „Ist schon okay, Art. Um deine geistige Verfassung hab‘ ich mir nie Sorgen gemacht; wo nix ist, da kann auch nix kaputt gehen.“
„Wenn du das sagst, Joe“, erwiderte Artie mit schiefem Grinsen, „dann wird’s wohl stimmen. Ich sag‘ Fanny morgen früh einfach, dass sie recht gehabt hat und seit acht Jahren mit einem Hohlkopf verheiratet ist. Das wird sie freuen.“
„Lass‘ dich von deiner besseren Hälfte nicht nieder machen, Art. Du bist schon ganz in Ordnung, Junge. Hast das Herz auf dem rechten Fleck.“ Er nickte seinem Kollegenaugenzwinkernd zu und verließ die Zentrale.
Artie sah ihm kurz nach. Dann wandte er den Blick wieder den Monitoren zu. Er nahm es Joe keine Sekunde lang übel, dass er auf seine Andeutung nicht eingegangen war. Joe würde erst dann den Mund aufmachen, wenn er sich eine Meinung gebildet hatte. Mit schwammigen Vermutungen hatte sich sein Teamleiter noch nie abgegeben. Trotzdem fragte sich Artie, was Joe nun wirklich von den ganzen Zwischenfällen hielt. Aber da er darauf wohl vorerst keine Antwort erhalten würde, schob er die Gedanken beiseite.
Es war schon nach einundzwanzig Uhr, als er sich eingestehen musste, dass ihn die mysteriösen Zwischenfälle, trotz aller Ablenkungsversuche, gedanklich nicht losließen. Beklommen sah er der Nacht entgegen und er stellte sich selbst die bange Frage, was wohl als Nächstes geschehen würde.
Donnerstag, 26. April 2012
So deprimiert und niedergeschlagen hatte sich Cecilia selten in ihrem Leben gefühlt. Es war erst kurz nach acht Uhr und sie saß bereits seit einer halben Stunde hinter ihrem Schreibtisch. In der vergangenen Nacht, die sie mehr wachend, als schlafend verbracht hatte, war sie zu einem Entschluss gekommen. Sie musste sich jemandem anvertrauen; es ging
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