TITANIC-WORLD
an Deck gestanden hätten und ihnen langsam klar geworden wäre, dass nicht jeder gerettet werden würde?“
„Vermutlich hätte es neben einer Panik auch noch einen verzweifelten Kampf um die Boote gegeben. Wahrscheinlich wären noch weniger gerettet und ein Teil der Rettungsboote nie zu Wasser gelassen worden.“
„Ja, aber dann war es doch sinnvoll …“ Jonathan sprach den Satz nicht zu Ende. Wieder fiel ihm ein, was Cecilia ihm und Bill Hays vor ein paar Wochen erzählt hatte. Deswegen sagte er nur: „Du glaubst, dass die Zwischendeckpassagiere bewusst im Stich gelassen wurden, damit zuerst einmal die reichen und prominenten Passagiere evakuiert werden konnten, nicht wahr?“
„Ja.“ Sie sah ihn an und in ihren Augen lag ein gequälter Ausdruck, als sie fortfuhr: „ Captain Smith gehörte nicht zur Oberschicht; wohl aber der Reeder, J.Bruce Ismay und auch Thomas Andrews . Letzterer war der Neffe von Lord Pirrie , einem Aufsichtsratsvorsitzenden bei Harland & Wolff . – 1912 galten andere gesellschaftliche Normen, als 2012. Ein Mensch, der im Zwischendeck reiste, war in den Köpfen der gehobeneren Bevölkerungsschichten wirklich drittklassig. Dem Kapitän oblag natürlich die Verantwortung für alle an Bord befindlichen Menschen, aber glaubst du nicht auch, dass er – schweren Herzens vielleicht – der ersten und zweiten Klasse in dieser Nacht den Vorzug gab?“
Der Inspektor überlegte kurz. Dann sagte er stirnrunzelnd: „Ich verstehe, was du meinst. Aber, selbst wenn von der Brücke ein Befehl ergangen sein sollte, die Passagiere des Zwischendecks nicht auf das Bootsdeck zu lassen – warum sollten diese Menschen dann ausgerechnet in der TITANIC-WORLD ihr Unwesen treiben?“ „Klingt nicht besonders logisch, was?“ Sie lächelte ihn schief an. „Trotzdem glaube ich, dass die Ursache für den Spuk in den Befehlen jener Nacht zu suchen ist. – Frag‘ mich nicht warum, denn ich kann es nicht erklären. Aber wenn dem so ist, dann haben wir, wie man so schön sagt, die Arschkarte gezogen. Das Einzige, das wirklich Aufschluss über die Order des 14./15. April 1912 geben könnte, ist das Logbuch; und das ist auf immer verschollen.“
Nach diesen Worten schwiegen beide eine lange Zeit. Schließlich räusperte sich Parker und sagte: „Ich weiß nicht, ob dir bekannt ist, dass Scotland Yard über ein kleines Department verfügt, das sich mit übernatürlichen Phänomenen auseinandersetzt. Es wäre ein Leichtes für mich, da anzurufen und die Kollegen zu bitten, sich hier vorort einmal umzusehen. Allerdings, muss ich zugeben, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wie die arbeiten und ich weiß auch nicht, wie Mr. Forrester dazu steht. Außerdem möchte ich keinesfalls dafür verantwortlich sein, dass du deinen Job verlierst.“
„Solange du mich nicht verrätst …“ Sie lächelte ihm schelmisch zu und Parker, der hinterher niemals sagen konnte, warum es ausgerechnet in diesem Moment geschah, hielt Cecilia plötzlich in den Armen und küsste sie leidenschaftlich.
Montag, 07. Mai 2012
Es war wie ein Dejà-vu. Als sie die Tür zu ihrem Büro öffnete, empfing sie ein ruhelos auf und ab laufender Craig mit den Worten: „Da bist du ja endlich.“
Sofort wurde sie argwöhnisch und fragte: „Was ist jetzt schon wieder passiert?“
„Häh? Nix ist passiert!“ Craig sah sie mit gerunzelten Brauen an. Dann erklärte er: „Wir müssen reden. Ich wollte das gestern schon, aber du hast überpünktlich Feierabend gemacht und bist später nicht mehr an dein Handy gegangen. Wo warst du?“ Die letzte Frage sollte beiläufig klingen, aber Cecilia hörte den Unterton heraus. Um etwas Zeit zu gewinnen, stellte sie zunächst ihre Handtasche in den Schrank und setzte sich hinter den Schreibtisch. Dann erst antwortete sie ausweichend: „Ich war einfach fix und fertig und mochte nicht telefonieren. Worüber wolltest du mit mir sprechen?“
„Über alles. Die Probleme hier, über uns …“ Er unterbrach sich kurz und sagte dann heftig: „So kann das doch nicht weiter gehen, Cissy! Wir waren immer ein tolles Team und seit … seit mehr als einer Woche weichen wir einander aus und reden wir nur noch das Nötigste miteinander.“
Für einen Augenblick fühlte sie sich zu elend, um zu reagieren. Schließlich raffte sie sich aber doch zu einer Antwort auf und sagte matt: „Du hast deine Meinung doch klar zum Ausdruck gebracht, Craig. Ich wüsste nicht, was wir noch zu besprechen hätten.“ Eine Sekunde
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