TITANIC-WORLD
der völlig aus dem Zusammenhang gerissen ist und so unverständlich erscheint. Aber ab und zu bleibt ein Ausspruch hängen, der uns noch Jahre später beschäftigt oder uns dann erst wieder einfällt, wenn etwas passiert.
Am frühen Nachmittag schien sich der Andrang auf den einzelnen Decks ein wenig gelegt zu haben. Viele Besucher genossen die Sonne auf dem Bootsdeck oder im Biergarten, während andere erst jetzt die Zeit fanden, einen verspäteten Lunch zu sich zu nehmen. Auf dem vorderen A-Deck tummelten sich die Menschen in der Hall of Silence , dem Rauchsalon und dem großzügig angelegten Souvenirshop mit angrenzender Papeterie.
Fünf holländische Studenten aus Leyden standen ein bisschen unschlüssig im Foyer des Treppenhauses. Während die beiden Mädchen die große Glaskuppel bewunderten, sagte einer der jungen Männer: „Wenn ich ehrlich bin, hab‘ ich mir genug von dem alten Krempel angesehen. Ich finde, wir haben uns ein schönes, großes, kühles Bier im Rauchsalon verdient.“
„Ach, Pieter“, antwortete Antje genervt. „Wir haben vor etwa einer Stunde Mittag gegessen und dabei sogar zwei schöne, große, kühle Biere getrunken. Manchmal glaub‘ ich echt, du bist Alkoholiker – ohne mindestens ein Bier pro Stunde, fängst du wohl an weiße Mäuse zu sehen.“
„Ich hab‘ auch Durst“, kam Edvard seinem Freund zu Hilfe.
„Ich auch“, pflichtete Henk bei. Er grinste in die Runde. „Angestaubte Antiquitäten machen mich immer durstig.“ Die drei lachten laut und Antje verdrehte die Augen. „Henk. Die ausgestellten Gegenstände nennen sich Artefakte und nicht Antiquitäten. Außerdem haben wir uns noch nicht mal die Hälfte ansehen können, weil ihr an keiner Bar vorbei kommt, ohne was trinken zu müssen.“
Mareike, die bisher nur zugehört hatte, mischte sich jetzt ein. „Es macht wirklich keinen Spaß, mit euch durch die TITANIC-WORLD zu streifen. Antje hat Recht – ihr wollt doch nur saufen! Von mir aus tut genau das! Wir treffen
uns dann vor dem Cyber-Adventure um halb sechs. Komm, Antje.“
Sie nahm den Arm ihrer Freundin und zog sie aus dem Foyer, ohne auf die Rufe ihrer Kommilitonen zu achten.
„Glaubst du, die sind jetzt sauer auf uns, weil wir die einfach stehen gelassen haben?“ Antje sah ihre Freundin unsicher an. Mareike schüttelte energisch ihre blonden Locken und antwortete: „Nee, und wenn, ist’s mir so was von egal. Wir sind schließlich hier, um uns die Ausstellung anzusehen und nicht um die englischen Biersorten auszuprobieren.“ Sie blieb stehen und sah ihre Freundin an. „Du lässt dich immer auf Diskussionen ein, Antje. Das ist dein größtes Problem. Und jetzt zerbrich dir nicht den Kopf über diese drei Knalltüten. Lass‘ uns lieber sehen, was wir hierhaben.“
Sie standen in einem Gang, der einst zu den vornehmen Kabinen der ersten Klasse geführt hatte. Die meisten der weiß lackierten Türen waren geschlossen, da die dahinterliegenden Räume nicht eingerichtet waren. Es handelte sich um die sogenannten Attrappentüren, die lediglich den Eindruck vermitteln sollten, wie die Kabinenbereiche auf der TITANIC ausgesehen hatten. Zierliche Messingbeschläge wiesen die Zimmernummer aus. Neben den Türen hingen Fotos und kurze Berichte in schlichten Goldrahmen, die Aufschluss über die Inneneinrichtung und die Passagiere gaben, die dort auf der Jungfernfahrt gewohnt hatten.
Fast am Ende des Ganges standen zwei der Türen offen. Die gegenüberliegenden Suiten A-16 und A-20 waren gediegen, für den heutigen Geschmack dennoch ein wenig unbehaglich ausgestattet, da die Einrichtungen sehr altmodisch wirkten.
„ Sir Cosmo Duff-Gordon – was für ein ulkiger Name“, rief Antje aus. Dann spähte sie in den Raum hinein. Hinter ihr bemerkte Mareike: „Hier hat Lady Lucille Duff-Gordon gewohnt. Komisch, dass die getrennte Suiten hatten.“
„Vielleicht war sie seine Schwester“, schlug Antje vor, doch Mareike schüttelte den Kopf und fügte hinzu, dass auf der Information neben der Türe eindeutig Lady Lucille Duff-Gordon , Gattin von Sir Cosmo Duff-Gordon stand. Die beiden jungen Frauen betraten Kabine A-20 und sahen sich um. Auf dem Waschtisch standen einige geschliffene Parfumflakons. Neben einem hübschen Porzellanschälchen – in dem ein Stück Vinolia Otto Toilet Soap war – lagen Kamm, Bürste und Handspiegel mit silbernen Griffen und Monogram. Auf einem Bügel am Kleiderschrank hing ein ganz unmodernes langes Nachthemd mit Spitzen und
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